Ablehnung von Beratungshilfe für sozialrechtliches Widerspruchsverfahren verfassungswidrig

29. Mai 2022

Mit veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Ablehnung von Beratungshilfe für ein sozialrechtliches Widerspruchsverfahren verfassungswidrig war. Der Antrag des Beschwerdeführers auf die Bewilligung von Beratungshilfe wurde vom zuständigen Amtsgericht in mehreren Entscheidungen wegen Mutwilligkeit abgelehnt.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheiden aus dem April 2021 wurde die Leistungsbewilligung des Beschwerdeführers für den Zeitraum Juli bis Dezember 2020 endgültig festgesetzt und daneben eine Erstattungsforderung geltend gemacht. Grund für die Erstattungsforderung war unter anderem eine vom Jobcenter festgestellte Überzahlung aufgrund eines Betriebskostenguthabens aus dem Jahr 2019, welches vom Jobcenter in dem Zeitraum Juni bis November 2020 anteilig leistungsmindernd berücksichtigt wurde.

Der Beschwerdeführer beantragte beim Amtsgericht die Bewilligung von Beratungshilfe. Er zweifelte an der Richtigkeit der Bescheide und wollte für die Gestaltung des Widerspruchs anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Er nannte der Rechtspflegerin einige Punkte, aufgrund derer die Bescheide nicht richtig sein könnten; unter anderem die leistungsmindernde Verrechnung des Betriebskostenguthabens über einen Zeitraum von sechs Monaten. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts wies den Antrag wegen Mutwilligkeit zurück. Ein eventueller Widerspruch sei ohne anwaltliche Hilfe zu fertigen. Es lägen keine Anzeichen für eine konkrete Rechtsbeeinträchtigung vor.

Der Beschwerdeführer legte Erinnerung ein. Die Anrechnung der Betriebskosten und die Errechnung des Erstattungsbetrags seien komplexe Sachverhalte. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts half der Erinnerung nicht ab. Die Erinnerung wurde mit richterlichem Beschluss wegen Mutwilligkeit abgewiesen. Der Beschwerdeführer wünsche Beratungshilfe, um Leistungsbescheide des Jobcenters pauschal auf ihre Richtigkeit überprüfen zu lassen. Er sei der Ansicht, dass es in den Bescheiden zu Fehlern gekommen sei, könne aber nicht konkret darlegen, um welche Fehler es sich handele. Auch habe er nicht vorgetragen, dass er sich selbst schriftlich oder durch Vorsprache beim Jobcenter um eine Aufklärung des Sachverhalts bemüht habe.

Die von dem Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge blieb ohne Erfolg.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt er eine Verletzung der Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG). ….

Quelle und vollständige Meldung: Sozialberatung Kiel

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