Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat die Praxis der Doppelbescheidung durch Heranziehungsbescheid für rechtswidrig erklärt. Wenn ein Ehegatte im Heim gepflegt werden muss, trägt das Sozialamt dem Grunde nach die Kosten. Bei der genauen Ermittlung der Kostenhöhe rechnet es das Einkommen der Eheleute auf die Heimkosten an und zahlt danach nur die ungedeckten Restkosten.
Obwohl das Familieneinkommen bereits abgezogen wird, erlässt die Region zugleich gegenüber dem anderen Ehegatten einen Heranziehungsbescheid in Höhe des Einkommens.
Gegen einen solchen Bescheid hatte ein Mann (geb. 1943) aus Burgdorf geklagt, dessen Frau wegen einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim untergebracht werden musste. Die Eheleute hatten ein anrechenbares Einkommen von rd. 890 Euro; es verblieben ungedeckte Heimkosten von rd. 430 Euro. Auf dieser Grundlage erließ die Region einen Bewilligungsbescheid gegenüber der Frau und einen Heranziehungsbescheid gegenüber dem Mann.
Das LSG hat den Heranziehungsbescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Region für die Heranziehung keine Rechtsgrundlage habe. Hierzu hat sich der Senat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. Nettoprinzip gestützt. Nach diesem Grundsatz würden Leistungen nur in Höhe des Betrags gezahlt, der bestimmte Einkommensgrenzen überschreite.
Für eine Heranziehung des Klägers sei daneben auch nach anderen Rechtsgrundlagen kein Raum, weil schon keine Leistungsgewährung nach dem sog. Bruttoprinzip, also eine vollständige Kostenübernahme durch die Beklagte gegen Kostenerstattung, erfolgt sei.
Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Januar 2020 – L 8 SO 109/18;