Unterhaltsvorschuss bei mehr als 60 Prozent der Betreuungszeit

20. Oktober 2025

Teilen sich getrennt lebende Eltern die Betreuung ihres gemeinsamen Kindes und verlangt ein Elternteil Unterhaltsvorschuss, so gilt dieser als „alleinerziehend“ und hat damit einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn er mehr als 60 Prozent der Betreuung übernimmt.

Im zugrunde liegenden Fall beantragte eine Mutter Unterhaltsvorschussleistungen für ihre siebenjährigen Zwillinge. Die Unterhaltsvorschusskasse lehnte Unterhaltsvorschuss mit der Begründung ab, die Mutter sei nicht „alleinerziehend“, weil die Kinder vierzehntägig von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen bei ihrem Vater seien.

Die Klagen der Mutter blieben vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen auf das gemeinsame Sorgerecht der Eltern sowie darauf abgestellt, dass der Vater seine Kinder in einem zeitlichen Umfang von 36 % betreue.

Das Bundesverwaltungsgericht gab der Mutter Recht. Ein Kind „lebt“ danach im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei einem Elternteil und dieser Elternteil gilt als „alleinerziehend“, wenn der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend bei diesem Elternteil liegt, auch wenn der andere Elternteil ebenfalls Betreuungsleistungen erbringt. Eine wesentliche Entlastung, welche den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss ausschließt, liegt erst vor, wenn der Betreuungsanteil des anderen Elternteils 40 % oder mehr erreicht.

Aus Gründen der Rechtsicherheit und Verwaltungsvereinfachung kommt es nur auf die Betreuungszeiten ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen an. Dem Bezug des Kindergeldes sowie Vereinbarungen zum Umgangsrecht kommt demgegenüber nur eine indizielle und dem Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts grundsätzlich keine Bedeutung zu.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.2023, 5 C 9.22 und 5 C 10.22

Quelle: Rechtsanwalt Helge Hildebrandt bei Sozialberatung Kiel


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