Lebenslange Freiheitsstrafe wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

6. Dezember 2023

In dem Staatsschutzverfahren gegen Bai L. (Az.: 5 StS 1/22) hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle den Angeklagten am heutigen 62. Verhandlungstag wegen Mordes in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Tötung in drei Fällen, davon in einem Fall im Versuch und in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Mord in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Der heute 48jährige Angeklagte war nach den Feststellungen des Senats Mitglied einer ehemaligen Sondereinheit der gambischen Streitkräfte, den sog. Junglers. Diese Einheit führte illegale Tötungsbefehle des damaligen gambischen Staatspräsidenten aus, der nach den Feststellungen sämtliche oppositionelle Kräfte einschüchtern bzw. beseitigen wollte. Der Angeklagte hat Mitglieder seiner Einheit als Fahrer zu solchen Liquidierungen gebracht und im Anschluss wieder weggefahren:

Ende Dezember 2003 sollte ein Rechtsanwalt getötet werden, der eine bei dem Präsidenten in Ungnade gefallene Person verteidigt hatte. Der Angeklagte fuhr die Einheit zum Tatort. Ein Mitglied der Einheit schoss mehrfach auf den Rechtsanwalt. Dieser überlebte schwer verletzt. Er verlor eine Niere und wurde dauerhaft entstellt.

Ein Jahr später hielten die „Junglers“ einen führenden regierungskritischen gambischen Journalisten in dessen Fahrzeug an und erschossen ihn. Sie nutzten dabei zwei als Taxen getarnte Fahrzeuge; eines davon führte der Angeklagte. Aus den Fahrzeugen heraus gaben sie im Vorbeifahren mehrere Schüsse auf den Journalisten ab. Anschließend stieg ein Mitglied der Einheit aus und schoss noch mehrfach auf das bereits getroffene Opfer, das am Tatort verstarb. Zwei Beifahrerinnen wurden verletzt.

In der Folgezeit, spätestens im Jahr 2006, erschossen Mitglieder der Einheit einen früheren Soldaten, der mutmaßlich ein Gegner des gambischen Präsidenten war. Sie zwangen ihn in ein von dem Angeklagten gefahrenes Fahrzeug, verbrachten ihn an einen entlegenen Ort, fesselten ihn an einen Baum, erschossen ihn und vergruben seine Leiche an einem unbekannten Ort.

Die Beweiswürdigung des Senats stützt sich zu einem wesentlichen Teil auf Interviews des Angeklagten aus den Jahren 2013 und 2014. Er hatte dort seine Tatbeteiligung im Detail geschildert. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte zwar über seinen Verteidiger angegeben, er habe diese Interviews nur deshalb gegeben, um die Oppositionsbewegung gegen den damaligen Präsidenten zu stärken. Er habe seine eigene Beteiligung geschildert, um glaubhafter zu wirken. Tatsächlich sei er an den Taten nicht beteiligt gewesen.

Diese Einlassung hat der Senat jedoch aufgrund verschiedener Umstände als Schutzbehauptung gewürdigt. Obwohl Rechtshilfeersuchen durch die Republik Gambia nicht beantwortet wurden, hat der Senat unter anderem aufgrund der Aussagen einer Vielzahl von Zeugen sowie aus öffentlich zugänglichen Quellen – insbesondere den genannten Interviews und den Protokollen der gambischen Wahrheitskommission – die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen.

Die Taten konnten nach dem sog. Weltrechtsprinzip in Deutschland geahndet werden, obwohl sie nicht in Deutschland begangen wurden und der Angeklagte kein deutscher Staatsbürger ist. Das Oberlandesgericht Celle war für dieses Verfahren zuständig, weil der Angeklagte zuletzt in Hannover wohnte und dort auch festgenommen wurde.

Eine besondere Schwere der Schuld hat der Senat nicht festgestellt. Dabei hat er unter anderem berücksichtigt, dass der Angeklagte in eine strenge Hierarchie eingebunden war und mit seinen Interviews selbst einen wesentlichen Impuls für den Widerstand gesetzt hatte.

Dieses Urteil ist weltweit das erste Urteil wegen derartiger Verbrechen nach dem Völkerstrafrecht in Gambia. Eine gerichtliche Aufarbeitung findet bislang in Gambia selbst noch nicht statt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Oberlandesgericht Celle

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