Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hält an der geplanten Umstellung von einer Zustimmungslösung (Opt-in) zu einer Widerspruchslösung (Opt-out) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. Während die ePA aktuell dann geführt wird, wenn die Patienten dem explizit zustimmen, soll sie künftig geführt werden, wenn nicht widersprochen wird.
Während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag verwies der Parlamentarische Staatssekretär im BMG, Edgar Franke (SPD), auf die Vorteile hin, die eine Opt-out-Lösung seiner Ansicht nach hat. So könnten Ärzte ihre medizinischen Entscheidungen auf einer besseren Datengrundlage treffen. Auch könnten unnötige und belastende Mehrfachuntersuchungen vermieden werden. Zudem könnten so unerwünschte Wechselwirkungen durch Arzneimittel frühzeitig erkannt werden. Alles in allem bleibe Ärzten künftig mehr Zeit für die Betreuung ihrer Patienten, sagte Franke.
Ganz anders sieht das die Allgemeinmedizinerin Simone Connearn, die sich mit einer Petition an den Bundestag gewandt hatte, in der eine solche Widerspruchslösung abgelehnt wird. Wenn Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden, die Akte mit medizinischen Daten zu füllen, werde damit die Schweigepflicht abgeschafft, heißt es in ihrer öffentlichen Eingabe (ID 150309), die 58.188-mal innerhalb von vier Wochen mitgezeichnet wurde. Krankheitsdaten gehörten aber zu den intimsten Informationen über jeden Menschen. „Private Gedanken und persönliche Informationen, die im vertrauensvollen Arztgespräch geäußert werden, gehören nicht in einen zentralen Speicher“, schreibt Connearn. Zentrale Datenspeicher seien niemals sicher. Deswegen dürfe es keine zentrale Speicherung der Krankheitsdaten von 80 Millionen Bundesbürgern in einer elektronischen Patientenakte ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen geben.
Vor dem Ausschuss beklagte die Petentin einen Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung. Die zentrale Speicherung der Daten bedeute eine gefährliche Machtkonzentration und sei niemals sicher. Weder Patienten noch Ärzte dürften daher zur ePA gezwungen werden. Einem Einwand aus dem Kreis der Abgeordneten, dass die ePA auch künftig freiwillig sein werde, weil die Patienten widersprechen könnten, begegnete der die Petentin begleitende Psychotherapeut Andreas Meißner mit der Aussage, dass die von der Opt-out-Lösung „überrumpelten Patienten“ zumeist nicht aktiv widersprechen würden, weil die meisten davon gar nichts mitbekämen. „Das wissen Sie so gut wie ich“, sagte Meißner. Die Ärzteschaft wolle die Digitalisierung, betonte er. „Wir wollen sichere digitale Verbindungen, um Befunde schnell zu übermitteln.“ Ärzte und Patienten dürften jedoch nicht zu Datenlieferanten umfunktioniert werden.
Die Versicherten würden vorab „transparent und verständlich“ über die ePA und auch über ihre Widerspruchsrechte informiert und aufgeklärt, sagte eine Vertreterin des BMG. Es werde eine Frist geben, die gewährleisten solle, dass die Versicherten genug Zeit bekommen, die Nutzung der ePA zu überdenken, um schließlich eine selbstbestimmte und fundierte Entscheidung über die Nutzung treffen zu können. Die vorgesehenen Widerspruchsregelungen seien einfach und könnten von den Patienten barrierefrei wahrgenommen werden. Weder seien dafür besondere technische Kenntnisse nötig noch die Nutzung einer ePA-App, hieß es.
Was die Sicherheit der Daten angeht, so verwies das BMG auf die verschlüsselte Übertragung. Potenzielle Angreifer hätten keinen Zugriff auf die sensiblen Gesundheitsdaten, sagte die Ministeriumsvertreterin. Der Zugriff auf die Daten werde auch nur den an der konkreten Behandlung beteiligten Leistungserbringer ermöglicht. Zudem werde jeder Zugriff auf die ePA protokolliert.
Dass die für Forschungszwecke verwendeten Daten pseudonymisiert werden sollen, überzeugte die Petentin nicht. Pseudonymisiert sei eben nicht anonymisiert. Wenn Daten ohne Namen aber mit Postleitzahl und Geburtsdatum weitergegeben werden, seien sie sehr wohl zurück verfolgbar. Connearn blieb am Ende der Sitzung bei ihrer Einschätzung, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gebrochen werde. Weder bringe die ePA dem Patienten einen Mehrwert, noch seien die darin enthalten Daten, die zu Abrechnungszecken erhoben würden, für die Forschung nutzbar.
Quelle: HIB – Deutscher Bundestag