Schwerkranke Menschen haben nach derzeitiger Rechtslage keinen Anspruch auf den Zugang zu einem Betäubungsmittel zur Selbsttötung. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit nunmehr den Beteiligten zugestellten Urteilen vom 24. November 2020 entschieden. Damit hat es drei gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klagen abgewiesen, die auf die Erteilung einer Erwerbserlaubnis für das Präparat Natriumpentobarbital gerichtet waren.
Die Kläger sind dauerhaft erheblich erkrankt (Multiple Sklerose, Krebs, schweres psychisches Leiden). Sie beantragten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die nach dem Betäubungsmittelgesetz für den Erwerb von Natriumpentobarbital erforderliche Erlaubnis. Zur Begründung beriefen sie sich auf das aus dem Grundgesetz abzuleitende Grundrecht auf Selbstbestimmung über den eigenen Tod sowie auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2017 (Az. 3 C 19.15, vgl. . Nach dieser ist der Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung mit dem Betäubungsmittelgesetz ausnahmsweise vereinbar, wenn sich der Suizidwillige wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet. Das BfArM lehnte die Anträge ab. Daraufhin erhoben die Kläger Klage.
Nach einer ersten mündlichen Verhandlung am 19. November 2019 hatte das Gericht die Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil es die bestehende Rechtslage für verfassungswidrig hielt (vgl. . Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorlagen mit Beschluss vom 20. Mai 2020 (Az. 1 BvL 2/20 u.a.) als unzulässig verworfen.
Mit seinen nunmehr ergangenen Urteilen hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Zwar sehe es – anders als das Bundesverwaltungsgericht – aufgrund des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers auch in Ausnahmefällen keine Möglichkeit, eine Erwerbserlaubnis für ein Mittel zur Selbsttötung zu erteilen. Auch sei es zwar weiterhin zweifelhaft, ob dieses im Betäubungsmittelgesetz enthaltene generelle Verbot mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Es liege jedoch zumindest derzeit kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht Suizidwilliger vor. Nachdem nämlich das Bundesverfassungericht mit Urteilen vom 26. Februar 2020 § 217 Strafgesetzbuch (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung) für nichtig erklärt habe (Az. 2 BvR 2347/15 u.a., vgl. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-012.html), hätten Sterbehilfeorganisationen ihre Tätigkeit wieder aufgenommen. Dies ergebe sich aus Auskünften sachkundiger Stellen, die das Gericht eingeholt habe.
Sterbehilfeorganisationen ermöglichten einen begleiteten Suizid auch ohne Inanspruchnahme von Natriumpentobarbital. Damit stehe den Klägern eine Alternative zur Verfügung. Die Inanspruchnahme von Sterbehilfeorganisationen sei zwar nach wie vor problematisch, da es an einer staatlichen Überwachung fehle und die Tätigkeit intransparent erfolge. Sie sei aber für eine Übergangszeit zumutbar, bis der Gesetzgeber ein tragfähiges Schutzkonzept für die Sterbehilfe und die Verwendung suizidgeeigneter Betäubungsmittel entwickelt habe. Solche Schutzkonzepte seien als wesentliche Entscheidungen in einem grundrechtsrelevanten Bereich dem Gesetzgeber vorbehalten. Es gebe auch genügend Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bereits an solchen Schutzkonzepten arbeite.
Gegen die Urteile können die Beteiligten jeweils Berufung einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde.
Das Gericht hat auch über zwei weitere vergleichbare Klagen entschieden. Die Urteile in diesen Verfahren werden den nicht anwaltlich vertretenen Klägern derzeit postalisch zugestellt.
Az.: 7 K 13803/17, 7 K 14642/17, 7 K 8560/18.
Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen