Keine Rückforderung von Ausbildungsförderung bei fehlerhaftem Warnschuss

7. September 2020

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat mit rechtskräftigem Urteil vom 16. Juli 2020 einen Bescheid der Stadt Pirmasens aufgehoben, mit welchem diese von dem Kläger Ausbildungsförderung in Höhe von 2.690 Euro zurückgefordert hatte.

Der Kläger hatte ab dem 1. September 2018 für den Besuch der Meisterschule für Handwerker Förderleistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFBG – zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Friseurhandwerk erhalten. Mit dem AFBG wird die berufliche Aufstiegsfortbildung von Handwerkern und anderen Fachkräften finanziell gefördert. In dem Bewilligungsbescheid der Stadt vom 28. September 2018 hieß es, dass der Kläger zum 31. Januar 2019 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme vorlegen müsse. Aus dem von der Meisterschule am 16. Januar 2019 ausgestellten Teilnahmenachweis ergab sich eine Teilnahme des Klägers an 65,91 % der Präsenzstunden (Fehlquote von 34,09 %); eine regelmäßige Teilnahme liegt nach dem AFBG aber nur vor, wenn die Teilnahme an 70 % der Präsenzstunden nachgewiesen wird.

Die Stadt forderte den Kläger deshalb mit Schreiben vom 28. März 2019 auf, nochmals einen Teilnahmenachweis der Fortbildungsstätte vorzulegen, und zwar bezogen auf den Zeitraum vom 17. Januar bis zum 31. März 2019. Sie wies darauf hin, dass die Förderung eingestellt oder aufgehoben werden könne und bereits erbrachte Leistungen zurückgefordert werden könnten, wenn der Nachweis nicht vorgelegt werde.

Im April übersandte der Kläger den Teilnahmenachweis für die Zeit vom 17. Januar bis 31. März 2019. Daraus ergab sich, dass er in dieser Zeit an weniger als 70 % der Präsenzstunden teilgenommen hatte. Die Stadt hob danach den Bewilligungsbescheid vom 28. September 2018 auf und forderte den geleisteten Betrag von 2.690 Euro zurück.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Auszubildende Klage zum Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße.

Diese hatte Erfolg: Zwar bestehe nach den gesetzlichen Bestimmungen des AFBG für die Behörde die Möglichkeit, eine Bewilligung aufzuheben und bereits erbrachte Leistungen zurückzufordern, wenn in zwei Teilnahmenachweisen des Bildungsträgers die regelmäßige Teilnahme nicht bestätigt werde. Allerdings habe der Gesetzgeber einen „Warnschuss“ für den Fall eingeführt, dass in dem ersten Nachweis die erforderliche Teilnahme nicht bescheinigt werde. Danach müsse die Behörde den Auszubildenden auf den nächsten Vorlagezeitpunkt und die Folge eines erneut nicht erfolgreichen Teilnahmenachweises hinweisen. Diesen Vorgaben genüge das Schreiben der Stadt vom 28. März 2019 nicht. Es weise zwar auf die Folge eines erneut nicht erfolgreichen Teilnahmenachweises hin, verfehle aber aufgrund seines späten Zeitpunktes den Sinn der beabsichtigten Verwarnung.

In dem Schreiben werde nämlich der Zeitraum vom 17. Januar bis zum 31. März 2019 genannt, welcher im Zeitpunkt des Zuganges des Schreibens bei dem Kläger nahezu vollständig abgelaufen gewesen sei. Damit könne aber gerade der Zweck dieser Verwarnung, die Teilnahme- und Abschlussmotivation des Betroffenen zu stärken, indem ihm die Gefahr einer möglichen Rückforderung vor Augen geführt werde, wenn er in Zukunft nicht regelmäßig an der Maßnahme teilnehme, nicht erreicht werden. Mit dem Hinweisschreiben müsse nämlich noch die Möglichkeit gegeben werden, dass der Teilnehmende seiner Teilnahmepflicht regelmäßig nachkommen könne. Dies sei aber nur möglich, wenn der nachzuweisende Zeitraum in der Zukunft liege. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, da sich die Stadt auf einen fast ganz überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (17. Januar bis 31. März 2019) bezogen habe.

Mit der Aufforderung, einen Teilnahmenachweis für einen bestimmten Zeitraum vorzulegen, also dem sog. „Warnschuss“, müsse dem Betreffenden aber die Möglichkeit gegeben werden, das frühere Defizit danach auch noch tatsächlich auszugleichen. Dies sei allerdings dann nicht mehr möglich, wenn die Bewilligungsbehörde – wie hier – auf einen zurückliegenden Zeitpunkt abstelle. Hätte die Stadt dem Kläger den gebotenen „Warnschuss“ ordnungsgemäß erteilt, wäre es auch möglich gewesen, dass der Kläger in der Folge regelmäßiger an den Präsenzstunden teilgenommen hätte und einen Teilnahmenachweis mit der notwendigen Teilnahmequote von 70 % hätte erbringen können.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 16. Juli 2020 – 2 K 234/20.NW –


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