Beleidigung im Internet

20. Dezember 2019

Sachliche Auseinandersetzung mit der NS-Zeit rechtfertigt nicht Vergleich mit „Gashahnaufdreher“. Der Vergleich eines Journalisten mit einem „Gashahnaufdreher“ im Dritten Reich wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass dieser sich zuvor in einem Artikel mit der Frage beschäftigt hat, ob rechtes Gedankengut toleriert werden dürfe.

Dies hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Revision der Staatsanwaltschaft Bonn entschieden und einen Teilfreispruch des Landgerichts Bonn aufgehoben.

Ein Journalist hatte sich in einem Online-Magazin mit dem Auftritt eines AfD-Politikers auf der Frankfurter Buchmesse unter dem Titel „Versteht es doch endlich: Rechtes Gedankengut darf nicht toleriert werden“ beschäftigt. Daraufhin veröffentlichte der Angeklagte auf seiner Homepage einen Bericht, in dem er unter anderem bezogen auf den Journalisten formulierte: „Er tut dabei so, als hätten solche intoleranten Mindertalentierten und Mitläufer wie er, die anno Adolf mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahnaufdreher hingelegt hätten, irgendeine andere stalinistische Kackmeinung als die ihrige je toleriert.“

Das Landgericht Bonn, das den Angeklagten wegen anderer Beleidigungen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt hatte, hatte ihn in diesem Punkt freigesprochen. Mit Urteil vom 10.12.2019 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln den Teilfreispruch aufgehoben und die Sache an das Landgericht Bonn zurückverwiesen. Der Vergleich mit „Gashahnaufdrehern“ stelle eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht dar, mit der der Journalist ohne erkennbaren Ansatz in die Gruppe der Personen mit nationalsozialistischer Gesinnung gerückt worden sei.

Während der Journalist ein gesellschaftliches Phänomen angesprochen habe, habe der Angeklagte allein die Person des Geschädigten in den Fokus genommen und diesem unterstellt, er wäre im NS-Unrechtsregime „Mitläufer“ geworden. Der Artikel des Journalisten sei in Wortwahl und Ausdruck äußerst moderat und sachlich gefasst gewesen. Die Äußerungen des Angeklagten dagegen seien in der konkreten Form auch nicht unter dem Gesichtspunkt des „Rechts zum Gegenschlag“ im geistigen Meinungskampf angezeigt.

Auch die vom Angeklagten in Anspruch genommene Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG gelte nicht schrankenlos, sondern werde insbesondere durch die in Art. 1 GG garantierte Menschenwürde begrenzt. Insgesamt habe das Landgericht nicht ausreichend zwischen den Grundrechten des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Journalisten aus Art. 2 Abs. 1 GG abgewogen.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 10.12.2019 – III-1 RVs 180/19

Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen


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