Das LSG Berlin-Brandenburg hatte über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen an Unionsbürger zu entscheiden.
Mit Urteilen vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R u.a.) hat der 4. Senat des BSG die Tür für Sozialhilfeleistungen für Unionsbürger geöffnet. Dem schloss sich der 14. Senat des BSG mit Urteilen vom 16.12.2015 (B 14 AS 18/14 R u.a.) an. In den entschiedenen Fällen geht es um Unionsbürger (u.a. aus Bulgarien, Rumänien und Griechenland stammend), denen Leistungen nach dem SGB II (“Hartz IV”) zu versagen waren, weil ihr Aufenthalt allein der Arbeitsuche diente (§ 7 Abs. 1 SGB II). Das BSG hat hier entschieden, dass zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zumindest seitens des kommunalen Sozialhilfeträgers Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege zu erbringen seien (§ 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).
Diese Entscheidungen des BSG trafen in der Öffentlichkeit auf zum Teil harsche Kritik. Mehrere erstinstanzliche Sozialgerichte sind den Entscheidungen des BSG ausdrücklich entgegen getreten, so etwa das SG Berlin in einem Urteil vom 11.12.2015 (S 149 AS 7191/13) oder das SG Speyer in einem Urteil vom 29.03.2016 (S 5 AS 493/14). Diese Kritik hält dem BSG entgegen, dass es sich über den Wortlaut des Gesetzes und über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetze, weil erwerbsfähige Personen dem Regelungsbereich des Sozialhilferechts gar nicht unterfielen.
In zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatten die beiden für Sozialhilfe zuständigen Senate des LSG Berlin-Brandenburg nun auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung des BSG zu entscheiden. Die Antragsteller in beiden Verfahren sind polnische Staatsangehörige, denen seitens des Jobcenters Leistungen nach dem SGB II verweigert wurden, weil sie sich lediglich zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhielten (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II).
In beiden Fällen hat das LSG Berlin-Brandenburg den Sozialhilfeträger zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für zunächst drei Monate verpflichtet.
Während dieser drei Monate habe der jeweilige Sozialhilfeträger die weiteren Umstände des Einzelfalles und insbesondere den jeweiligen Aufenthaltsstatus der Antragsteller aufzuklären, um eine fundierte Ermessensentscheidung über die Weiterbewilligung von Sozialhilfe treffen zu können. Damit sind der 15. und der 23. Senat des LSG Berlin-Brandenburg zwar der Rechtsprechung des BSG nicht entgegen getreten, haben den Sozialhilfeträgern aber weitere Ermittlungen auferlegt, die im Einzelfall auch dazu führen können, dass am Ende das nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bestehende Ermessen zu Lasten der Betroffenen ausgeübt wird oder dass aufgrund eines verfestigten Aufenthaltsrechts doch das Jobcenter nach dem SGB II leistungspflichtig ist.
Die Beschlüsse sind rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LSG Berlin-Brandenburg