Pritschenwagen keine geeignete Unterkunft

20. Mai 2016

Urteil vom 10.05.2016, Az.: L 9 AS 5116/15

Der 60jährige Leistungsempfänger (Kläger) lebt im Bodenseeraum und ist seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz. Er nächtigte nach eigenen Angaben seit 2010 in einem Pritschenwagen. Das zuständige Jobcenter ging zunächst davon aus, es handle sich um eine Art Wohnmobil mit geschlossenem Überbau und erstattete dem Kläger die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung sowie eine Heizkostenpauschale für die vorhandene Standheizung. Ende 2013 besichtigte das Jobcenter das Fahrzeug und weigerte sich sodann, dem Kläger dafür Unterkunftskosten zu zahlen. In dem offenen Wagen sei ein Mindestmaß an Privatsphäre nicht gewährleistet. Es fehle an der Vergleichbarkeit mit einer privaten Wohnung, die einen längeren Aufenthalt ermögliche.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, der deutsche Sozialstaat verweigere ihm sein menschenwürdiges Existenzminimum.

In erster Instanz hat das Sozialgericht Konstanz die Klage abgewiesen. Auch die Berufung blieb erfolglos. Die Stuttgarter Richter haben dem Jobcenter in zweiter Instanz ebenfalls Recht gegeben. Der offene Pritschenwagen stellt keine Unterkunft im Sinne des SGB II dar, für die Kosten übernommen werden können. Das Fahrzeug ist lediglich mit einem geschlossenen einreihigen Fahrerhaus ausgestattet, das eine Sitzbank mit drei Sitzplätzen beinhaltet. Eine Rückbank existiert nicht, und die Ladefläche ist offen. Wichtige Aspekte der Privatsphäre wie Hygiene oder ungestörter Kleidungswechsel sowie ein gewisses Maß an Komfort sind mangels Ausstattung und Platz (insbesondere mangels Möglichkeit zum Stehen) sowie aufgrund deutlicher Einsehbarkeit des Innenbereichs nicht einmal annähernd wie in einer Wohnung möglich. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Leistungen im SGB II zur Deckung der notwendigen Bedarfe nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen.

Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg

Anmerkung Sozialticker … wir leben ja schließlich in Deutschland, wo Menschen wie Hunde leben müssen und Gerichte dies nicht mal erkennen wollen und entsprechende Urteile fällen – wie in dem Fall die sofortige Kostenübernahme einer angemessenen Wohnung … und dies gestern schon.

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