Leserbrief zum Artikel im Bochumer Lokalteil

25. Februar 2020

In dem genannten Artikel – „Harte Strafen für verpasste Termine beim Jobcenter Bochum“ – wird dargelegt, dass bei Sanktionen im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) vor allen Dingen Sanktionen wegen Meldeversäumnissen vom Jobcenter ausgesprochen werden.

Zugleich wird Holger Schelte, Fachreferent für Arbeitsmarktpolitik beim Wohlfahrtsverband DPWV Bochum/Herne zitiert, der kritisiert, dass die Sanktionen bei Meldeverstößen zwischen über 25-Jährigen und unter 25-Jährigen differenziert werden. Dies ist unzutreffend. Gemäß § 32 SGB II gibt es keine Differenzierung zwischen unter 25-Jährigen und über 25-Jährigen.

Weiterhin versäumt es der Artikel, darauf hinzuweisen, dass Grundvoraussetzung für die Verhängung einer Sanktion ist, dass die Einladung zum Meldetermin rechtmäßig ist. Hier verweist § 59 SGB II auf die Regelungen des § 309 SGB III. Hier sind in § 309 Abs. 2 SGB III fünf Punkte aufgelistet, zu deren Zweck die Einladung erfolgen darf. Anderweitige Einladungszwecke sind unbeachtlich. Da in den Einladungen keiner dieser fünf Zwecke genannt wird, dürften diese Einladungen als solche rechtswidrig sein und damit auch jede darauf basierende Sanktion (siehe hierzu Berlit in LPK-SGB II, 6. Auflage, § 32 Rnr. 4).

Den Menschen, die solche Sanktionen erhalten, kann insofern nur dringend empfohlen werden, gegen die Sanktion vorzugehen.

Soweit im Übrigen in dem Kommentar von Frau Heinrichkeit ausgeführt wird, dass ein System der Hilfeleistungen statt eines Systems der Strafen ein hehres, aber realitätsfernes Ziel sei, so verwechselt die Kommentatorin das Strafgesetzbuch mit dem Sozialgesetzbuch. SGB II heißt nicht Strafgesetzbuch II sondern Sozialgesetzbuch II. Soweit weiterhin ausgeführt wird, dass man Menschen nicht helfen kann, die Hilfe nicht wollen, so sei auf den tragenden Grundsatz unserer Verfassung hingewiesen, dass es menschenverachtend und unwürdig ist, wenn man Menschen zum bloßen Objekt staatlicher Sozialpolitik degradiert.

Die Kommentatorin scheint auch nicht zu wissen, wie das „System Jobcenter“ funktioniert. Die Hilfesuchenden werden alle sechs Monate eingeladen, es werden immer die gleichen Fragen gestellt und zugleich werden sie unter Druck gesetzt, sogenannte Eingliederungsvereinbarungen zu unterschreiben. Ein großer Teil dieser Eingliederungsvereinbarungen dürfte der Rechtsprechung des 14. Senats des Bundessozialgerichts widersprechen und insofern nichtig sein. Dies kann der Arbeitslose allerdings nicht prüfen und deswegen ist es empfehlenswert, die EGV zunächst einmal nicht zu unterzeichnen sondern einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen.

Diese Meldetermine sind insofern keine Hilfe für die Menschen und werden als solche im Regelfall auch nicht empfunden. In den Beratungsstellen für Arbeitslose sitzen genügend Leute, die Magenschmerzen bei der Vorstellung bekommen, sich wieder bei der Bundesagentur für Arbeit oder dem Jobcenter melden zu müssen.

Insofern ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass es Leute gibt, die die Drucksituation bei diesen Gesprächen nicht aushalten und einfach nicht hingehen oder aber sich zu Drohungen gegenüber Jobcentermitarbeitern hinreißen lassen. Ob die psychische Belastung für die Jobcentermitarbeiter hoch ist, kann von hier aus nicht beurteilt werden. Fakt ist jedenfalls, dass bei den Hilfesuchenden die psychische Belastung extrem hoch ist.

Wenn man darüber hinaus noch berücksichtigt, dass seit Jahren ungefähr die Hälfte aller Bescheide – insbesondere auch der Sanktionsbescheide – rechtswidrig ist, so wundert einen das nicht, dass das von Rot-Grün seinerzeit initiierte Jobcentersystem nicht funktioniert. Bei der Tendenz des Kommentars, dass die Schuldigen diejenigen sind, die vom Jobcenter terrorisiert werden, kann ich allerdings nur anmerken, dass hier das Mindestmaß an Recherche, das betrieben werden müsste, nicht geleistet wurde. Die Menschen wollen Hilfe, aber sie wollen keine Schikane und genau das ist das Jobcentersystem.

Quelle: Anton Hillebrand – Geschäftsführender Vorstand – Sozialberatung Ruhr e. V.

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