L 32 AS 1223/15 – Kommentar LSG Berlin-Brandenburg

5. April 2018

LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2018 – Az.: L 32 AS 1223/15. Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II), die in der Bundeshauptstadt leben, stellt das gesamte Stadtgebiet von Berlin der für die Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II maßgebliche Vergleichsraum dar. Zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II erlassene Verwaltungsvorschriften sind zur Bewertung angemessener Wohnkosten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) ungeeignet, wenn dort nur eine Bruttowarmmiete ausgewiesen ist.

Die Beurteilung von Unterkunftskosten hat unabhängig von der Beurteilung der Heizkosten zu erfolgen. Alles andere führt dazu, dass der Ermittlung der Angemessenheitswerte kein schlüssiges Konzept zur Bestimmung angemessener Kosten der Unterkunft zugrunde liegt. Qualifizierte Mietspiegel können eine Grundlage zur Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sein. Liegt ein solcher entsprechend § 558d Abs. 1 und 3 BGB vor, so ist zu vermuten, dass die in diesem Mietspiegel näher bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs. 3 BGB).

Einem sog. einfachen Mietspiegel gemäß § 558c Abs. 1 BGB kommt zwar nicht die Vermutungswirkung entsprechend § 558d Abs. 3 BGB zu, stellt joch ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Mietspiegeldaten dürfen aber nur dann eine Verwendung als „Rohdaten“ im Zusammenhang mit der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durchzuführenden Angemessenheitsprüfung erfahren, wenn diese Daten die Marktverhältnisse im maßgebenden Beobachtungszeitraum realistisch widerspiegeln („getreues Abbild des Wohnungsmarktes“). Bleibt der Mietspiegel hinter der tatsächlichen Marktentwicklung zurück (sog. verzögerte Marktabbildung), dann beschreibt er nicht (mehr) die realen Marktverhältnisse. Ganz Berlin stellt hier einen angespannten Wohnungsmarkt dar, wo in den vergangenen Jahren die Mieten deutlich schneller angestiegen sind als dies im Bundesdurchschnitt der Fall war.

Ein Mietspiegel hat insbesondere zum einen die Vermutung dafür, dass daraus die angemessene Nettokaltmiete bestimmt werden kann sowie andererseits, dass im ausreichenden Maße auch Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt, zu tragen. Wenn für den festzulegenden Vergleichsraum kein schlüssiges Konzept vorliegt, sind vom Jobcenter die (durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG gedeckelten) tatsächlichen Kosten der Unterkunft entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennen, wobei hier noch aufgrund der unterschiedlichen Funktionen des Wohngeldes hier und der Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II ein „Sicherheitszuschlag“ in einer Höhe von 10 v. H. berücksichtigt zu werden hat.

Quelle: Dr. Manfred Hammel

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