Geht ein Energieversorgungsunternehmen im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses irrtümlich von einem Kundenwechsel aus, kommt kein konkludenter Energielieferungsvertrag mit dem neuen Kunden zu Stande. Eine Realofferte richtet sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den mit Energie belieferten Versorgungsanschluss ausübt. Ausgehend von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.01.2018 das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Detmold vom 26.05.2017 (Az. 1 O 79/16) abgeändert.
Die Klägerin ist ein in Herford ansässiges Energieversorgungsunternehmen. Sie verlangt vom Beklagten, einem heute in Lemgo wohnhaften Familienvater, die Bezahlung von Gas. Dieses wurde in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 20.03.2012 für eine Verbrauchsstelle am Minden-Weseler-Weg in Enger geliefert.
Bei der Verbrauchsstelle handelt es sich um ein im Eigentum einer Frau aus Enger stehendes Hausgrundstück mit einem einzigen Gaszähler und zentraler Heizungs- und Warmwasseranlage. Die Eigentümerin ist als Streithelferin der Klägerin am Rechtsstreit beteiligt.
Für diese Verbrauchsstelle hatte die Klägerin zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin begründet und war im Verbrauchszeitraum aufgrund einer übermittelten, auf dem Beklagten lautenden Kundenanmeldung von einem Kundenwechsel auf dem Beklagten ausgegangen. Im vorliegenden Rechtsstreit stellte sich heraus, dass diese Kundenanmeldung nicht vom Beklagten unterzeichnet worden war. Zur Begründung des von ihr angenommenen Kundenwechsels bezog sich die Klägerin zudem auf die Gewerbeanmeldung einer auf den Namen des Beklagten lautenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die ausweislich eines von der Streithelferin vorgelegten Mietvertrages Keller und Erdgeschoss des Hauses im Verbrauchszeitraum angemietet hatte. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich nach der Darstellung des Beklagten um eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft.
Die von der Klägerin für den Verbrauchszeitraum abgerechneten Gaskosten von ca. 6.600 Euro bezahlte der Beklagte nicht.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt. Dabei hat es aufgrund der Gewerbeanmeldung des Beklagten angenommen, zwischen der GbR und der Klägerin sei ein Versorgungsvertrag über die Lieferung des streitgegenständlichen Gases zustande gekommen. Den Vertragsschluss habe die Klägerin mit ihrer Realofferte, dem Bereitstellen des Gases, angeboten. Als Inhaberin der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Anschluss habe die GbR das Angebot mit die Entnahme des Gases angenommen. Als Gesellschafter der GbR hafte der Beklagte für deren Verbindlichkeiten.
Die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil war erfolgreich. In Abänderung dieses Urteils hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe weder mit dem Beklagten noch mit der auf seinen Namen lautenden GbR einen Kaufvertrag über die Lieferung von Gas abgeschlossen, so der Senat.
Nach eigenem Vortrag der Klägerin habe für die infrage stehende Verbrauchsstelle zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin, der Eigentümerin des Grundstücks, bestanden. Es sei nicht ersichtlich, dass dieses Vertragsverhältnis wirksam beendet worden sei und ein Kundenwechsel stattgefunden habe. Der von der Klägerin vorgelegten Kundenanmeldung komme insoweit keine Bedeutung bei. Sie sei gefälscht und enthalte keine Willenserklärung des Beklagten. Deswegen habe das Vertragsverhältnis mit der Streithelferin auch nach dieser Anmeldung fortbestanden. Neben diesem fortbestehenden Vertragsverhältnis komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Annahme eines konkludenten Vertragsabschlusses mit dem Beklagten oder der GbR nicht in Betracht.
Der Annahme eines durch eine Realofferte konkludent abgeschlossenen Energielieferungsvertrages stehe zudem entgegen, dass weder dem Beklagten noch der GbR die tatsächliche Verfügungsgewalt über den infrage stehenden Versorgungsanschluss zugestanden habe. Empfänger einer Realofferte des Versorgungsunternehmens sei typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei das grundsätzlich der Eigentümer, was im vorliegenden Fall umso mehr gelte, weil das gesamte Hausgrundstück nur über einen einzigen Gaszähler und eine zentrale Heizungs- und Warmwasseranlage verfüge. Einem Mieter – nur als solcher kämen der Beklagte oder die GbR infrage – stehe die tatsächliche Verfügungsgewalt über einen derartigen Versorgungsanschluss nur dann zu, wenn er diese für das gesamte Objekt ausgeübt habe. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Weder dem Beklagten noch der GbR habe das gesamte Hausgrundstück zur Verfügung gestanden. Deswegen bedürfe es auch keiner weiteren Aufklärung, ob die GbR nur eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft gewesen sei, wie der Beklagte vorgetragen habe.
Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.01.2018 (Az. 2 U 127/17)
Hinweis der Pressestelle:
Zu der in dieser Pressemitteilung genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2008, Az. VIII ZR 351/06, und dessen Urteile vom 02.07.2014, Az. VIII ZR 316/13, und vom 22.07.2014, Az. VIII ZR 313/13, zitiert.
Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen