Konditionierung durch Bestrafen: Hartz IV-Sanktionen

4. Dezember 2016

I.

Begriffsklärung

Zunächst einmal bedarf es der Klärung des Begriffes Strafe.

Strafen im juristischen Sinne sind Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Disziplinarstrafen.

Für jede gilt der Gesetzesvorbehalt (Art. 19 Abs. 1 GG), da die Strafen in Grundrechte eingreifen: die Freiheitsstrafe in das Grundrecht auf die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), die Geldstrafe in die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), die Disziplinarstrafe in das Grundrecht der freien Berufsauswahl (Art. 12 Abs. 1 GG).

Freiheitsstrafen dürfen nur anhand der Regelungen des Strafgesetzbuches (StGB) verhängt werden. Ausnahme: die in anderen Gesetzen geregelte Erzwingungshaft/Ordnungshaft (z.B. gegen Zeugen § 380 ZPO) etwa wenn ein auferlegtes Ordnungsgeld nicht eintreibbar ist. Ein weiteres Beispiel (Schuldhaft siehe Exkurs I).

Geldstrafen werden im Allgemeinen ebenfalls aufgrund des StGB verhängt oder speziell durch das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG).

Disziplinarstrafen werden aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen verhängt: berufsständische (z.B. für Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern), für Beamte (durch das Beamtenrecht), für Richter (§§ 61, 62 Abs. 1 Nr. 1 DRiG durch den Bundesgerichtshof, BGH).

Schadensersatz, materieller (Vermögensschaden) wie immaterieller (z.B. seelischer) ist keine Strafe, sondern ein finanzieller Ausgleich für erlittenen Schaden, wie das Wort schon sagt. Es geht hier um die objektive Bestimmung als Ausgleich, nicht um die subjektive Wahrnehmung als Strafe für eine nach subjektiven Maßstäben angeblich gerechtfertigte vorherige schädigende Handlung.

Die Sanktion, welche Gegenstand dieses Artikels ist, muß im hier dargestellten Kontext als lediglich Wort lateinischen Ursprungs für Strafe betrachtet werden. Zwar ist der lateinische Begriff weiter gefaßt: sancio = heiligen, bestimmen, gesetzlich, strafen und sanctio = Strafbestimmung [1], womit unsere Wörter „Sankt“ für heilig und „Sanktion“ für Strafe zusammenhängen.

Im Deutschen ist es durchgehend üblich, gerade mehrdeutige Wörter aus dem romanischen Sprachgebrauch (lateinisch, französisch, italienisch) nur im pejorativen Sinne zu gebrauchen. Gleichwohl ist der begriffliche Unterschied nicht wirklich groß, denn schon die Antike kannte ja göttliche Strafe, sei sie polytheistisch, sei sie monotheistisch, sei es, daß sie als „Schicksal“ (moira) über die Menschen kommt. Insofern ist der Weg von „heilig“ oder „Bestimmung“ zu „Strafe“ nicht weit.

Die Sanktion stellt also im eigentlichen Sinne des Wortes eine Strafe dar. So wird sie auch in der Politik gehandhabt, wenn etwa internationale Sanktionen (Einreiseverbote, Boykotte) gegen einzelne Länder, welche nicht „gehorchen“ wollen, verhängt werden.

II.

Die „Hartz IV“-Strafen

Die Sanktionen nach dem SGB II („Hartz IV“) seien keine Strafe, weil eine Strafe sich aus einem Gesetz, entweder dem Strafgesetzbuch (StGB) oder dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) ergeben müsse. Schon hier liegt bei vielen Juristen ein Denkfehler vor: wie bereits gezeigt, können sich Strafen auch aus anderen Gesetzeswerken ergeben, es gilt nur: keine Strafe ohne Gesetz.

Begründet wird die Auffassung, bei den „Hartz IV“-Sanktionen mit Leistungskürzungen bis hin zum kompletten Wegfall der existenzsichernden Leistungen handele es sich nicht um Bestrafung, einzig und allein damit, daß der betreffenden Person ja die freie Entscheidung offen stehe, der behördlichen Forderung nachzukommen oder aber die Sanktion hinzunehmen.

( … )

Vollständiger Artikel und Quelle: Herbert Masslau

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