Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juli 2019 (B 8 SO 2/18.R). Zum Anspruch eines insbesondere an frühkindlichem Autismus in Verbindung mit einer mittelgradigen Intelligenzminderung sowie einer deutlichen Störung des Sozialverhaltens leidenden Schulkinds auf eine Schulbegleitung durch eine Assistenzkraft für mehr als 13 Stunden wöchentlich als Hilfe zur angemessenen Schulbildung im Sinne der §§ 53 ff. SGB XII in Verbindung mit § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung.
Erst diese ständige (umfassende) Begleitung des Antragstellers ermöglichte ihm eine gewinnbringende Teilnahme am Unterricht. Diese Leistung berührt den Kernbereich pädagogischer Tätigkeit nicht. Es kommen hier grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern. Schulbegleiter übernehmen lediglich den Unterricht begleitende Assistenzdienste, und zwar auch dann, wenn sie den behinderten Schüler außerhalb des Unterrichtsraums bei Einzelarbeitsphasen betreuen und unterstützen. Hier handelt es sich um eine wichtige Absicherung des Antragstellers am Unterrichtsgeschehen.
Die eigentliche pädagogische Gestaltung der auf Weisung der Schule zu bearbeitenden Aufgabenstellung verbleibt stets bei der Lehrkraft.
Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 7. Juni 2019 (S 3 AY 29719.ER):
Ein mögliches Fehlverhalten der Leistungen nach dem AsylbLG begehrenden Eltern, z. B. eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG, ist ihren minderjährigen Kindern im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG nicht zuzurechnen, da diese Vorschrift ein höchstpersönliches Element beinhaltet. Kinder können eigenständig einen Anspruch entsprechend § 2 Abs. 1 AsylbLG herleiten, und zwar ohne Berücksichtigung der Situation der Eltern.
Leistungskürzungen nach § 1a Abs. 3 und 4 AsylbLG scheitern daran, wenn die Familie nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist. Aufgrund des laufenden Asylverfahrens der jüngsten Tochter kann dieses Kind gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bis zum unanfechtbaren Abschluss ihres Erstverfahrens bereits aus gesetzlichen Gründen nicht ausgewiesen werden. Hiermit steht der Ausreise dieser Familie aus dem Bundesgebiet ein nicht durch die Familienmitglieder zu vertretendes Ausreisehindernis entgegen. Entsprechend Art. 6 GG ist der jüngsten Tochter die Trennung von ihren Eltern und Geschwistern nicht zumutbar.
Auch wenn der Asylantrag abgelehnt wurde, bedeutet dies nicht, dass sich die Antragsteller subjektiv in keiner Weise in Gefahr befinden und zumindest aus diesem Grund kein Rückkehrwille besteht. Bei entsprechenden Gegebenheiten stellt der Leistungsbezug nicht der finale Grund für die Einreise im Sinne des § 1a AsylbLG dar.
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2019 (L 15 SO 181/18):
Zum Anspruch auf Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3, 5 und 6 SGB XII.
Eine Gewährung entsprechender Leistungen scheitert nicht bereits daran, dass antragstellerseitig keine Ausreiseabsicht besteht. Eine derartige „innere Tatsache“ stellt keine tatbestandliche Voraussetzung für diese Unterstützung dar und ist auch nicht aus der Bezeichnung als „Überbrückungsleistungen“ ableitbar.
Mehr als eine zeitliche Begrenzung der im entsprechenden Fall „übergangsweise“ noch möglichen Leistungen geht hier aus § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII nicht hervor. Dem gesetzgeberischen Ziel einer Verringerung des Verwaltungsaufwands bei dieser Klientel würde es widersprechen, wenn behördlicherseits ein (ernsthafter) Rückkehrwille vor der Gewährung von Leistungen zu ermitteln wäre.
§ 23 Abs. 3 Satz 6, 2. HS SGB XII soll nicht die Bewilligung von Dauerleistungen ermöglichen, dort wird aber auch keine feste zeitliche Grenze festgeschrieben. Die Situation einer Unionsbürgerin, die die Vermutung eines Freizügigkeitsrechts für sich in Anspruch nehmen kann und gegen die die Ordnungsbehörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet hat, d. h. deren Aufenthalt im Bundesgebiet faktisch geduldet wird, ist als von einer besonderen Härte geprägt aufzufassen, was für die betr. Person eine Ausreise unzumutbar macht.
OVG Sachsen, Beschluss vom 2. Oktober 2019 (3 A 637/19):
Die auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II zurückzuführenden Einnahmen der ebenfalls dem Wohngeldhaushalt des Antragstellers zuzurechnenden, zum Teil bei seiner geschiedenen Gattin lebenden Kinder sind ebenfalls innerhalb des Wohngeldantrags mit anzugeben. Hierfür ist der Antragsteller verantwortlich, auch wenn ihm die exakte Höhe dieser Transferleistungen nicht bekannt ist. Der genaue Umfang dieser Beträge (gerade auch für die Kosten der Unterkunft) lässt sich durch die Wohngeldbehörde ermitteln.
Diese Transferleistungen sind gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 30 WoGG bei der Berechnung des Jahreseinkommens des zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieds heranzuziehen. Auf Vertrauensschutz kann sich dieser Antragsteller gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht berufen. Eine entsprechend grobe Fahrlässigkeit liegt deshalb vor, weil ihm bekannt war, dass seine Kinder im Rahmen der Veranlagung von Leistungen nach dem SGB II an seine geschiedene Gattin als Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt worden sind.
Hier hätte es sich für ihn zumindest aufdrängen müssen, sich vor der Tätigung entsprechender Angaben im Wohngeldantrag zu vergewissern, ob die für seine Kinder gewährten Sozialleistungen anzugeben sind oder nicht. Ein dem Antragsteller hier unterlaufener Rechtsirrtum ist unbeachtlich. Es war hier von ihm zumindest die Tatsache der Gewährung von Leistungen des Jobcenters an seine Kinder als solche anzugeben.
Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 21. Oktober 2019 (S 40 AS 260/19.ER):
Zur Verpflichtung des Jobcenters zur Bewilligung von EUR 350,- als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II zur Anschaffung eines für die Teilnahme am Schulunterricht notwendigen Laptops.
Derartige Kosten sind nicht aus den Leistungen für den Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II zu bestreiten, da der Gesetzgeber bei der Zusammenstellung dieser Beträge die Kosten für höherwertige elektronische Geräte nicht berücksichtigt hat.
Der Laptop ist zwar nur einmal zu bezahlen. Dieses Gerät erfüllt aber einen laufenden Bedarf, nämlich den, sachgerecht ein berufliches Gymnasium besuchen, gleichberechtigt am Unterricht teilnehmen und die Hausaufgaben erledigen zu können, ohne gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern benachteiligt zu sein.
Sozialgericht Bayreuth, Urteil vom 19. September 2019 (S 17 AS 7/19):
Im Zusammenhang mit der bedarfsmindernden Berücksichtigung von Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) zuzuordnen sind, stellt § 22 Abs. 3 SGB II klar, dass hier vom Jobcenter auch der Punkt geprüft zu werden hat, auf welche Weise dieses Einkommen erwirtschaftet wurde. „Nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung“ im Sinne des § 22 Abs. 3, 2. HS SGB II sind auch solche Kostenpunkte, mit denen eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigte Person außerhalb des Leistungsbezugs konfrontiert wurde.
Die Herkunft entsprechender Guthaben ist vom SGB II-Träger nur dann bedarfsmindernd zu berücksichtigen, wenn diese Mittel während des laufenden Leistungsbezugs und nach Vollzug der Kostensenkungsaufforderung entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II aus dem Regelbedarf oder anderen Eigenmitteln erwirtschaftet worden sind, nicht aber, wenn diese Gelder auf außerhalb des Leistungsbezugs z. B. durch eigenes Erwerbseinkommen finanzierte Vorauszahlungen zurückzuführen sind.
BSG, Urteil vom 18. Juli 2019 (B 8 SO 13/18.R):
Aufwendungen für die Reparatur einer Brille sind nicht aus dem Regelbedarf heraus zu finanzieren, sondern vom Sozialhilfeträger gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII als ein einmaliger Bedarf anzuerkennen und im Wege einer gebundenen Entscheidung „gesondert“ zu erbringen.
Bei einem Austausch von Brillengläsern handelt es sich um keine Reparatur, sondern um eine Neuanschaffung, die mit den Mitteln des Regelbedarfs finanziert zu werden hat.
Die Ersetzung eines oder beider Brillengläser ist dann nicht als eine Reparatur aufzufassen, wenn dieser Vorgang wesentlich ursächlich aus Gründen der Anpassung an eine geänderte Sehstärke medizinisch indiziert ist. In diesem Fall stellt das bloße Zurückversetzen der Brille in einen funktionsfähigen Zustand, eine Reparatur durch einen Ersatz der beschädigten Gläser in der früheren Stärke, ein untaugliches Mittel dar, weil diese Maßnahme objektiv keine Eignung hat, die bestehende Sehbeeinträchtigung auszugleichen.
Wenn auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung die Anschaffung neuer Brillengläser zu erfolgen hat, muss typisierend davon ausgegangen werden, dass die Versorgung mit neuen Brillengläsern wesentlich ursächlich wegen der geänderten Sehstärke erforderlich ist, d. h. die Kosten für die neuen Brillengläser aus dem Regelbedarf – ggf. durch Inanspruchnahme eines Darlehens (§ 37 Abs. 1 SGB XII) – zu bestreiten sind.
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. September 2019 (L 15 AS 200/19.B.ER):
Ablehnung der Gewährung eines Zuschusses zum Erwerb eines Pkw bzw. der Gewährung eines hierzu dienenden Darlehens zur Erreichung und weiteren Erhaltung des Ausbildungsplatzes aus Mitteln des Vermittlungsbudgets (§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 44 SGB III) oder im Wege der freien Förderung (§ 16 f SGB II), weil es als durchaus möglich und zumutbar eingeschätzt werden kann, auch an den Tagen, an denen bis 20 Uhr oder in Einzelfällen sogar bis 22 Uhr gearbeitet zu werden hat, die 5.5 km betragende Fahrstrecke zum nächstgelegenen Bahnhof mit dem Fahrrad zurückzulegen.
Auch in den Wintermonaten und nach 20 Uhr ist es erwachsenen Leistungsempfängern, die nicht mit gravierenden gesundheitlichen Problemen betroffen sind, möglich und zumutbar, ein- bis zweimal am Tag eine Wegstrecke von weniger als 10 km mit dem Fahrrad zurückzulegen.
Quelle: Kommentierung – Dr. Manfred Hammel