Grabenunfall nach Begegnung wankender Treckergespanne – OLG Hamm klärt die Haftung

31. Januar 2017

Begegnen sich zwei Treckergespanne mit einer Breite von 2,85 m und 3,03 m auf einer 5,8 m breiten Straße und führt der Fahrer eines Gespanns ein Ausweichmanöver durch, bei dem sein Gespann in den Graben fährt, kann auch der Fahrer des anderen Gespanns für den Unfall mitverantwortlich sein. Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.06.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld bestätigt.

Im August 2012 begegneten sich auf der 5,8 m breiten Werther Straße in Enger der vom Sohn des Klägers aus Herford gesteuerte Traktor mit angehängtem, 3,03 m breiten Grubber sowie der vom Beklagten aus Halle gesteuerte Traktor mit angehängtem, 2,85 m breiten Fasswagen zum Transport von Gülle. Das klägerische Gespann fuhr ca. 35-40 km/h, das des Beklagten ca. 30 km/h. Als die Fahrzeuge mit diesen Geschwindigkeiten etwa auf gleicher Höhe waren, lenkte der Sohn des Klägers sein Gespann auf den rechtsseitigen Grünstreifen. Er geriet mit dem rechten Reifen des Traktors in eine mit Gras bewachsene Bodenmulde, so dass das Gespann auf die Seite kippte.

Vom Beklagten und seinem Pflichtversicherer hat der Kläger ca. 26.300 Euro Schadensersatz verlangt, 75 % des ihm insgesamt entstandenen Sachschadens. Das Landgericht Bielefeld hat in erster Instanz die von beiden Fahrzeugen ausgehende, unfallursächliche Betriebsgefahr mit gleichem Anteil berücksichtigt und dem Kläger ca. 17.500 Euro Schadensersatz zugesprochen.

Die mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegte Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die Haftung der Beteiligten mit der vom Landgericht ausgeurteilten Haftungsquote im Ergebnis bestätigt.

Die Haftung eines am Unfallgeschehen beteiligten Fahrzeugs, so der Senat, komme auch dann in Betracht, wenn das Fahrzeug ein anderes unfallbeteiligtes Fahrzeug nicht berührt habe. Allerdings reiche die bloße Anwesenheit eines Fahrzeugs an der Unfallstelle nicht aus. Das Fahrzeug müsse vielmehr durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu dem Schaden beigetragen haben. Das könne zum Beispiel der Fall sein, wenn es einen Geschädigten zu einem Ausweichmanöver veranlasse.

Ausgehend hiervon habe sich der Verkehrsunfall beim Betrieb des vom Beklagten gesteuerten Traktors ereignet. Der Sohn des Klägers sei bei der beiderseitigen Annäherung dem Gespann des Beklagten ausgewichen. Ohne Belang sei insoweit, ob der Sohn des Klägers zuvor auf andere Weise auf den im Gegenverkehr entgegenkommenden Beklagten habe reagieren können.

Die in Bezug auf die konkrete Unfallsituation vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge rechtfertige eine Haftungsverteilung zu gleichen Anteilen. Aufgrund der Breite beider Gespanne habe keiner der Fahrer davon ausgehen können, den anderen unter alleiniger Nutzung der Fahrbahnbreite passieren zu können. Selbst unter Inanspruchnahme der 20 cm breiten Bankette sei ein Aneinandervorbeifahren aufgrund der seitlichen Wankbewegungen der Gespanne nicht problemlos möglich gewesen. Beide Fahrzeugführer hätten daher ihre Geschwindigkeit deutlich, gegebenenfalls bis zur Schrittgeschwindigkeit reduzieren und notfalls anhalten müssen, um – eventuell nach vorheriger Verständigung – ein gefahrloses Passieren zu ermöglichen. Diesen erhöhten Sorgfaltsanforderungen habe keiner Rechnung getragen. Ihre Fahrweise sei unangemessen gewesen, insbesondere im Hinblick auf die von beiden Fahrzeugführern eingeräumten und bei ihrer Begegnung nicht weiter reduzierten Geschwindigkeiten von ca. 35-40 km/h auf Kläger- und ca. 30 km/h auf Beklagtenseite. Bei derartigen Geschwindigkeiten sei eine sachgerechte Reaktion auf das Verhalten des entgegenkommenden Gespanns nicht möglich gewesen.

Rechtskräftiges Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.06.2016 (9 U 59/14)

Quelle: Presseservice des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen

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