Das deutsche Steuer- und Abgabensystem ist ungerecht, intransparent und leistungsfeindlich, kritisiert der Deutsche Familienverband seit Jahren. Bestätigt werden die Verbandsexperten nun durch eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Wirtschaftsforschung (ZEW), die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellt worden ist. Steuern, Transferleistungen und Sozialabgaben sind mangelhaft aufeinander abgestimmt, was regelmäßig dazu führt, dass geringe Einkommen deutlich stärker belastet werden als hohe Einkommen.
Ganze Berufszweige, wie Anlagen-, Transfer- und Steuerberater sind gegen Entgelt damit beschäftigt, unerwünschte Belastungswirkungen zu verhindern. Ein Euro zu viel verdient, kann den Verlust einer gesamten Leistung bedeuten. Für unerwünschte, leistungsfeindliche Grenzbelastungen im Steuersystem ist vor allem der “Mittelstandsbauch” bekannt. Dessen Abbau wird immer wieder aufs Neue zugesagt. Leistung soll sich wieder lohnen. Andererseits wird, um “mehr Gerechtigkeit” finanzieren zu können, über einen leicht erhöhten “Spitzensteuersatz” diskutiert. Das sorgt gerade in Wahlkampfzeiten für Aufmerksamkeit. Weniger Beachtung findet der Befund der ZEW-Studie: “Wer wenig hat, wird am stärksten belastet”. Dass in der gesetzlichen Sozialversicherung durch eine Beitragsbemessungsgrenze hohe Einkommen von Beiträgen freigestellt sind, es aber im unteren Bereich keine Freibeträge, beispielsweise für Kindererziehung, gibt, wird in keinem Wahlprogramm aufgegriffen.
Seit Jahren weist der DFV in seinem “Horizontalen Vergleich” nach, dass eine 4-köpfige Familie mit einem Bruttoeinkommen von 35.000 Euro/Jahr nicht einmal das behalten kann, was sie mindestens zur Teilhabe an dieser Gesellschaft, das sogenannte Existenzminimum, benötigt. Das ZEW stellt nun fest: Von jedem zusätzlich verdienten Euro wird ihr zwischen 54 und weit über 100 Cent abgezogen. Auch Alleinerziehende haben mit den Folgen des Steuer-, Transfer- und Abgabendschungels zu kämpfen. Bei einem Einkommen bis 23.800 Euro beträgt ihre Grenzbelastung über 60 Prozent.
„Eine Reform des Sozialstaates ist längst überfällig“, stellt der Vizepräsident des Deutschen Familienverbandes, Siegfried Stresing, fest. „Den Anfang müssen die familienblinden Sozialversicherungsbeiträge machen. Wer Kinder- und Familienarmut wirksam bekämpfen will, muss hier ansetzen.“ Deshalb haben der Deutsche Familienverband und der Familienbund der Katholiken mit mehreren Tausend Familien die Kampagne `Wir jammern nicht, wir klagen!´ ins Leben gerufen.
Ziel ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Fortsetzung des Pflegeversicherungsurteils von 2001. „Nachdem die beiden derzeit regierenden Parteien beabsichtigen, längst erworbene Erkenntnisse und Beschlüsse auch in der kommenden Legislaturperiode unter den Tisch fallen zu lassen, müssen wir leider diesen Weg durch die Instanzen beharrlich weitergehen, auch wenn dieser Familien und Gerichte über Gebühr beschäftigt“, erklärt Stresing und fügt hinzu: „Wir lassen Familien nicht im Regen stehen. Wer glaubt, Familien unbemerkt in die Tasche greifen zu können, muss mit uns rechnen!“.
Quelle: Deutscher Familienverband e.V.