Sozialgericht Berlin, Urteil vom 8. März 2017 (Az.: S 191 AS 16707/13):
Vom Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind auch diejenigen Personen mit umfasst, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU oder ein anderes materielles Freizügigkeitsrecht verfügen. Dies gilt auch im Fall eines rumänischen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet, der sich nicht auf eine andere materielle Freizügigkeitsberechtigung als die der Arbeitsuche berufen kann.
Wer seinen notwendigen Lebensunterhalt als obdachloser Mensch bislang z. B. durch den Verkauf von Straßenzeitungen sowie das Sammeln von Pfandflaschen bestritten hat, ging weder einer Tätigkeit als Arbeitnehmer noch als Selbstständiger im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. 2 FreizügG/EU nach. Hierfür ist erforderlich, dass mit der Ausübung einer Tätigkeit in der Weise ein Erwerbszweck verfolgt wird, dass diese Arbeit entgeltlich erbracht wird und eine Teilnahme am Wirtschaftsleben darstellt. Es muss hier ein wirtschaftlicher Güteraustausch, der auch ideelle Güter oder Dienstleistungen betreffen kann, zumindest angestrebt werden.
Beim Verkauf von Straßenzeitungen handelt es sich um eine Form des (aktiven) Bettelns. In diesem Rahmen wird insbesondere kein absatzunabhängiges Arbeitsentgelt erzielt.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht verfassungswidrig und europarechtskonform. Ein EU-Mitgliedsstaat darf Angehörige anderer Mitgliedsstaaten vom Zugang zu Sozialhilfeleistungen ausschließen, wenn von ihnen überhaupt kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38 EG beansprucht werden kann, oder wenn ihre Aufenthaltsberechtigung einzig aus dem Zweck der Arbeitsuche abgeleitet wird.
Ein hilfsweise gegen den Sozialhilfeträger erhobener Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 23 SGB XII (Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer) scheitert an § 21 Satz 1 SGB XII. Dieser Leistungsausschluss lässt sich nicht in der Weise auslegen, dass ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger Leistungen nach dem SGB XII beziehen kann. Dieser Klientel ist der Weg zur Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß den §§ 27 ff. SGB XII gerade nicht eröffnet.
Quelle: Dr. Manfred Hammel – Kommentar zum Urteil