Ein Landwirt ist nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) nicht verpflichtet, die Arbeitszeiten seines Arbeitnehmers aufzuzeichnen. Unterlässt er die Aufzeichnungen, verhält er sich nicht ordnungswidrig. Das hat der 3. Senat für Bußgeldsachen am 18.10.2016 beschlossen und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld bestätigt.
Der heute 31 Jahre alte Betroffene aus Extertal ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. In diesem beschäftigt er einen heute 43 Jahre alten Arbeitnehmer. Dessen Arbeitsvertrag legt die Arbeitszeit und das monatliche Bruttogehalt fest. Der Arbeitsvertrag unterfällt einem durch Rechtsverordnung für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag, der Mindestentgelte für Arbeitnehmer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau regelt.
Aufgrund einer Selbstanzeige des Betroffenen erließ das Hauptzollamt Bielefeld als Bußgeldbehörde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arbeitnehmerentsendegesetz im Februar 2015 einen Bußgeldbescheid und verhängte ein Bußgeld von 1.000 Euro. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes ab dem 01.01.2015 keine Aufzeichnungen über Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers geführt zu haben. Dabei vertrat die Bußgeldbehörde die Auffassung, der Betrieb des Betroffenen unterliege dem Geltungsbereich des AEntG und verpflichte den Betroffenen zu den in Frage stehenden Aufzeichnungen.
Auf den Einspruch des Betroffenen sprach das Amtsgericht Bielefeld den Betroffenen von dem erhobenen Vorwurf frei. Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung von der Staatsanwaltschaft Bielefeld erhobene Rechtsbeschwerde ist nach der Entscheidung des 3. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm erfolglos geblieben.
Der Betroffene habe sich, so der Senat, nicht ordnungswidrig verhalten, weil er die Arbeitszeiten seines Arbeitsnehmers seit dem 01.01.2015 nicht aufgezeichnet habe.
Die in Betracht kommende Bußgeldvorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 8
AEntG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 1 oder 2 AEntG sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
§ 19 Abs. 1 Satz 1 AEntG regele die Pflicht des Arbeitgebers Aufzeichnungen über die tägliche Arbeitszeit zu erstellen und bereitzuhalten. Nach Satz 2 der Norm sei dem Arbeitgeber ein Entleiher von Arbeitskräften gleichgestellt.
Die Aufzeichnungspflicht des § 19 Abs. 1 AEntG bestehe, soweit auf das Arbeitsverhältnis Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages oder einer entsprechenden Rechtsverordnung über die Zahlung von Mindestentgelt, die Einziehung von Sozialkassenbeiträgen oder über Urlaubsansprüche anzuwenden seien. Das sei vorliegend zwar der Fall. Allerdings sei der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 AEntG beschränkt. Die Regelung gelte nur für die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 AEntG ausdrücklich bezeichneten Branchen des Bauhaupt- und des Baunebengewerbes. Den Bereich der Landwirtschaft führe das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht auf, so dass es nach seinem Wortlaut keine Aufzeichnungspflicht für den Betrieb des Betroffenen begründe.
Eine analoge Anwendung der Bußgeldvorschrift des AEntG auf die vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste Landwirtschaftsbranche komme nicht in Betracht. Eine Analogie, d. h. die Anwendung einer Bußgeldvorschrift über ihren Inhalt hinaus auf einen von der Vorschrift nicht erfassten, nur ähnlichen Lebenssachverhalt sei zu Ungunsten eines Betroffenen nicht zulässig.
Ein dem Betroffenen anzulastender ordnungswidriger Verstoß ergebe sich im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder dem Arbeitszeitgesetz. Keines dieser Gesetze verpflichte den Betroffenen zu der in Frage stehenden Aufzeichnung und Dokumentation der werktäglichen, regulären Arbeitszeiten eines Arbeitnehmers in einer Festanstellung.
Rechtskräftiger Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.10.2016 (3 RBs 277/16)
Hinweis der Pressestelle:
Die genannten Vorschriften des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) lauten wie folgt:
§ 23 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig …
• 8. entgegen § 19 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt oder …
§ 19 Erstellen und Bereithalten von Dokumenten
(1) 1Soweit die Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1, § 5 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und § 6 Absatz 2 oder einer entsprechenden Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a über die Zahlung eines Mindestentgelts oder die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. 2Satz 1 gilt entsprechend für einen Entleiher, dem ein Verleiher einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin oder mehrere Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen zur Arbeitsleistung überlässt. …
§ 4 Branchen
(1) § 3 gilt für Tarifverträge
• 1. des Bauhauptgewerbes oder des Baunebengewerbes im Sin-ne der Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 (BGBl. I S. 2033), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 26. April 2006 (BGBl. I S. 1085), in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der Erbringung von Montageleistungen auf Baustellen außerhalb des Betriebssitzes, …
Quelle: Presseservice des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen
Anmerkung Sozialticker zu AEntG …
Zitat: “2Satz 1 gilt entsprechend für einen Entleiher, dem ein Verleiher einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin oder mehrere Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen zur Arbeitsleistung überlässt.”
… das klingt wie aus düsteren Zeiten und könnte bestimmt auch so mal im Gesetz gestanden haben:
“2Satz 1 gilt entsprechend für einen Sklavenhalter, dem ein Sklavenhändler einen Sklaven oder eine Sklavin oder mehrere Sklaven oder Sklavinnen zur Arbeitsleistung überlässt.”
… ja, dies kommt einem schon eher bekannt vor und ist sicherlich auch so gemeint. Oder ? 🙁 Kommen wir zum “Arbeitnehmerentsendegesetz” … der Begriff alleine schon – “… hey Sklave geh, geh hinaus – ich entsende dich in die Welt, um Gutes zu tun … bei “Gutmenschen”, warum? – na weil ich es darf und staatlich dazu ermächtigt wurde, dich entsenden zu dürfen, denn sonst greift dich das Sanktionssystem aus Hartz IV, was die “roten Kittelträger” für solche Fälle abgenickt haben = Tötung deiner selbst. 🙂
Eine o.g. Aufzeichnung ergibt sich doch bereits schon aus der geschichtlichen Vorbelastung Deutschlands, denn in einem späteren gerichtlichen Verfahren, sollten diese Aufzeichnung zu Rate gezogen werden, um evtl. Schadensansprüche geltend zu machen. Deutschland kennt dieses Prozedere zu gut und hat wohl mit der Aufzeichnung nun so seine Probleme.