Fragen und Antworten zur Halbzeitbilanz des Aktionsplans zur Schaffung einer Kapitalmarktunion
Kapitalmarktunion – was ist das?
Zu den obersten Prioritäten der Kommission zählt es, die europäische Wirtschaft zu stärken und Investitionen anzukurbeln, damit Jobs entstehen. Die Investitionsoffensive für Europa hat dazu beigetragen, diesen Prozess in Gang zu setzen. Um die Investitionen jedoch langfristig zu stärken, brauchen wir stärkere Kapitalmärkte, die den Unternehmen neue Finanzierungsquellen erschließen, den Sparern mehr Anlagemöglichkeiten eröffnen und die Wirtschaft widerstandsfähiger machen.
Mit dem fünften Wachstumsjahr in Folge nimmt der Wirtschaftsaufschwung in der EU Fahrt auf. Allerdings bestehen erhebliche Abwärtsrisiken. Die Investitionen tragen nach wie vor nur wenig zum Wachstum bei und sind im Verhältnis zum BIP weiterhin geringer als vor der Krise. Durch diese anhaltende Investitionsschwäche werden die Aufschwungdynamik und das längerfristige Wachstum nach wie vor gebremst. Aus diesem Grund hat Präsident Juncker die Schaffung eines echten Binnenmarkts für Kapital – einer Kapitalmarktunion (CMU) für alle Mitgliedstaaten – zu einer seiner zentralen Prioritäten erklärt.
Im Aktionsplan vom September 2015 sind die Maßnahmen beschrieben, die notwendig sind, um bis 2019 die CMU-Bausteine zu legen, Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen aus dem Weg zu räumen und die Finanzierungskosten zu senken. Im Rahmen der dritten Säule der Investitionsoffensive für Europa, des sogenannten Juncker-Plans, soll die Kapitalmarktunion den Unternehmen EU-weit vielfältigere Finanzierungsquellen erschließen, die Märkte effizienter machen und Anlegern wie Sparern zusätzliche Möglichkeiten bieten, ihr Geld so anzulegen, dass damit Wachstum angekurbelt und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Kapitalmarktunion wird Vorteile für alle Mitgliedstaaten bringen und gleichzeitig auch die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) stärken, indem sie die wirtschaftliche und soziale Konvergenz unterstützt und wirtschaftliche Schocks im Euroraum abzufedern hilft.
Wieso wurde der CMU-Aktionsplan einer Halbzeitbilanz unterzogen?
Seit September 2015 hat die Kommission plangemäß 20 der 33 im CMU-Aktionsplan angekündigten Maßnahmen in die Tat umgesetzt. Dabei haben wir die Entwicklung ständig im Auge behalten, um festzustellen, ob noch weitere Maßnahmen durchgeführt werden müssen, um die Kapitalmarktunion zu vollenden. Damit eine Kapitalmarktunion entsteht, die spürbare Wirkung entfaltet, haben wir auch eine öffentliche Konsultation und eine öffentliche Anhörung dazu durchgeführt, wie bei diesem zentralen Projekt weiter vorgegangen werden soll.
Die 178 Antworten, die bei der öffentlichen Konsultation zur CMU-Halbzeitbilanz eingegangen sind, haben bestätigt, dass dieses Schlüsselprojekt „fit for purpose“, d. h. seinem Zweck angemessen, bleiben muss. Während die 2015 ermittelten Herausforderungen nichts von ihrer Relevanz verloren haben, sind in letzter Zeit neue Herausforderungen für die Finanzintegration hinzugekommen, die eine Überprüfung der CMU-Agenda erforderlich machen. Da das größte Finanzzentrum aus der EU ausscheiden wird, muss insbesondere neu bewertet werden, wie mit der Kapitalmarktunion sichergestellt werden kann, dass EU-Unternehmen und -Investoren Zugang zu starken, dynamischen und enger integrierten Kapitalmärkten haben, während gleichzeitig Risiken für die Finanzstabilität angemessen gemanagt werden. Als weitere Herausforderungen verstärkt in den Blick gerückt sind eine wirksamere Aufsicht und Maßnahmen, mit denen die Vorteile der Kapitalmarktunion überall in der EU spürbar werden. Die CMU muss außerdem Wege aufzeigen, wie die Wandlungskraft der Finanztechnologie nutzbar gemacht und privates Kapital in nachhaltige Investitionen umgelenkt werden kann.
Ziel der Halbzeitbilanz ist es, diese Herausforderungen durch zusätzliche Maßnahmen anzugehen, die die im Rahmen des CMU-Aktionsplans noch ausstehenden Maßnahmen ergänzen.
Was bringt die Kapitalmarktunion?
Die CMU wird die in Europa traditionell starke Bankenfinanzierung ergänzen und zu mehreren Zielen beitragen:
– Freisetzung von mehr Investitionen aus der EU und der übrigen Welt: Die CMU dürfte Kapital in Europa mobilisieren helfen und dazu beitragen, dass es in Unternehmen aller Art – auch in KMU – sowie in Infrastrukturprojekte fließt, die auf dieses Kapital angewiesen sind, um zu expandieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Sie wird den Haushalten bessere Möglichkeiten bieten, ihre angestrebte Altersversorgung zu verwirklichen;
– wirksamere Verknüpfung von Finanzierungen mit Investitionsprojekten in der ganzen EU: Die CMU ist ein klassisches Binnenmarktprojekt, das für alle Mitgliedstaaten von Vorteil ist. Die Mitgliedstaaten mit den kleinsten Märkten und mit hohem Wachstumspotenzial können erheblich profitieren, wenn Kapital und Investitionen besser in ihre Projekte gelenkt werden. Für die weiter entwickelten Marktwirtschaften ist der Zuwachs an grenzübergreifenden Anlage- und Sparmöglichkeiten von Vorteil;
– Stärkung der Stabilität des Finanzsystems: Indem die CMU mehr Finanzierungsquellen und langfristige Investitionen erschließt, verringert sie die Anfälligkeit der EU-Bürger und -Unternehmen im Falle von Bankenschocks, wie sie in der Finanzkrise aufgetreten sind;
– Vertiefung der Finanzintegration und Stärkung des Wettbewerbs: Mehr grenzübergreifende Risikoteilung, vertiefte und liquidere Märkte sowie diversifizierte Finanzierungsquellen dürften zu einem stärkeren Zusammenwachsen der Finanzmärkte und niedrigeren Kosten führen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas verbessern.
Was beinhaltet die Halbzeitbilanz des CMU-Aktionsplans?
In der Halbzeitbilanz wird über die guten Fortschritte bei der Umsetzung des Aktionsplans von 2015 berichtet und ein Zeitplan für das nächste Maßnahmenbündel aufgestellt, das in den kommenden Monaten präsentiert wird. Um auf die neuen Herausforderungen zu reagieren, wird die ursprüngliche CMU-Agenda außerdem um einige neue vorrangige Maßnahmen ergänzt, bei denen die Antworten auf die öffentliche Konsultation von Januar-März 2017 berücksichtigt wurden.
Die Überprüfung ist um eine Reihe neuer vorrangiger Maßnahmen herum aufgebaut, in deren Fokus Folgendes steht: eine wirksamere Beaufsichtigung durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), eine verhältnismäßigere Regelung für KMU-Notierungen auf öffentlichen Märkten, eine Vereinfachung grenzüberschreitender Investitionen und die EU-weite Entwicklung von Kapitalmarkt-Ökosystemen. Außerdem sollen Wege ausgelotet werden, wie die Wandlungskraft der Finanztechnologie nutzbar gemacht und privates Kapital in nachhaltige Investitionen gelenkt werden kann.
Zusammen mit den noch ausstehenden Arbeitsschwerpunkten bilden die genannten Maßnahmen die Basis für einen entscheidenden und dauerhaften Beitrag zu den Grundlagen für eine echte Kapitalmarktunion bis 2019. Das Gesamtpaket der Maßnahmen zur Umsetzung der CMU-Bausteine bis 2019 ist im Anhang der Mitteilung beschrieben.
Ist die Umsetzung des CMU-Aktionsplans vorangekommen?
Ja, die Kommission hat über die Hälfte der im CMU-Aktionsplan angekündigten Maßnahmen (20 von 33) umgesetzt:
– Risikokapital: Das Europäische Parlament und der Rat haben am 30. Mai 2017 eine grundsätzliche Einigung auf die Verordnung über Europäische Risikokapitalfonds (EuVECA) und die Verordnung über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF) erzielt, sodass Anleger künftig leichter in innovative kleine und mittlere Unternehmen investieren können. Das Auswahlverfahren für Fondsverwalter eines oder mehrerer privatwirtschaftlich geführter europaweiter Risikokapital-Dachfonds wird in den kommenden Monaten abgeschlossen. Außerdem hat die Kommission die nationalen steuerlichen Anreize für Risikokapital und Business Angels auf den Prüfstand gestellt. Darüber hinaus wird heute eine Studie mit empfehlenswerten Praktiken veröffentlicht.
– Gang von Unternehmen an die öffentlichen Märkte und dortige Kapitalbeschaffung: Die modernisierte EU-Prospektverordnung, auf die sich das Europäische Parlament und der Rat im Dezember 2016 geeinigt haben, wird ab Mitte 2019 gelten. Auch hat die Kommission im Rahmen ihres Vorschlags für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) vom Oktober 2016 Maßnahmen ergriffen, um die im Vergleich zu Beteiligungskapital bestehende Verschuldungsfreundlichkeit des Steuersystems anzugehen.
– Fähigkeit der Banken zur Kreditvergabe an die Realwirtschaft: Um Kapazitäten in den Bankbilanzen freizumachen und so zusätzliche Finanzierungsmittel für die Wirtschaft zu generieren‚ haben das Europäische Parlament und der Rat am 30. Mai 2017 eine grundsätzliche Einigung über einfache, transparente und standardisierte (STS-) Verbriefungen sowie die Überarbeitung der Eigenkapitalanforderungen für Banken erzielt. Im November 2016 hat die Kommission eine Änderung der EU-Eigenkapitalvorschriften für Banken vorgeschlagen, die die Möglichkeit eröffnet, den gesamten Genossenschaftsbankensektor eines Mitgliedstaats aus der Regelung auszunehmen. Der Vorschlag liegt derzeit dem Rat und dem Europäischen Parlament vor.
– Infrastrukturinvestitionen: Der delegierte Rechtsakt zu Solvabilität II wurde im September 2015 geändert und ist im April 2016 im Kraft getreten, sodass Investitionen in qualifizierte Infrastrukturprojekte für EU-Versicherungsunternehmen nun billiger sind. Heute stellt die Kommission außerdem Maßnahmen zur Überprüfung der Risikokalibrierungen für Investitionen in Infrastrukturunternehmen vor. Um privatwirtschaftliche Investitionen von Banken in Infrastrukturprojekte zu fördern, haben wir im November 2016 eine Änderung der Eigenkapitalregelung (Eigenkapitalverordnung und -richtlinie, kurz: CRR/CRD IV) vorgeschlagen. Dadurch würden risikogerechtere regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen, um hochwertige Infrastrukturprojekte zu fördern und die Risiken für Investoren zu reduzieren.
– Investitionen von institutionellen Anlegern und Kleinanlegern: Im März 2017 legte die Kommission ihren Aktionsplan für Finanzdienstleistungen vor, der Wege aufzeigt, wie den Verbrauchern EU-weit zu größerer Auswahl und einem besseren Zugang zu Retail-Finanzdienstleistungen verholfen werden kann. Außerdem arbeitet die Kommission gemeinsam mit den europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) verstärkt daran, die Transparenz und Vergleichbarkeit der Kosten und der Wertentwicklung von Anlage- und Altersvorsorgeprodukten für Kleinanleger zu erhöhen.
– Vorsorgliche Restrukturierung und zweite Chance für Unternehmer: Im November 2016 hat die Kommission eine Regelung für die präventive Restrukturierung vorgeschlagen, damit überlebensfähige Unternehmen in finanzieller Schieflage nicht abgewickelt werden müssen und Unternehmer nach der Insolvenz eine Chance auf den geschäftlichen Neuanfang erhalten. Der Vorschlag enthält außerdem Vorschriften, die Insolvenzverfahren effizienter, vorhersehbarer, kostengünstiger und schneller machen sollen.
– Der Bericht der Kommission vom März 2017 enthält eine Roadmap für die Beseitigung nationaler Hindernisse für den freien Kapitalverkehr. Am 23. Mai 2017 wurde diese Roadmap vom Rat „Wirtschaft und Finanzen“ gebilligt.
– Finanzstabilität: Im Anschluss an ihre Konsultation von 2016 wird die Kommission nun darauf hinarbeiten, dass der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) befähigt wird, potenzielle Risiken für die Finanzstabilität, die sich aus der marktbasierten Finanzierung ergeben könnten, zu überwachen.
Welche neuen Maßnahmen und Vorschläge sind geplant?
Drei Gesetzgebungsvorschläge, die für die Schaffung der Kapitalmarktunion von zentraler Bedeutung sind, wird die Kommission nun beschleunigt vorantreiben:
– Gesetzgebungsvorschlag für ein EU-weites Produkt der privaten Altersvorsorge (Pan-European Personal Pension Product – PEPP) bis Ende Juni 2017;
– Gesetzgebungsvorschlag mit Kollisionsvorschriften für Drittparteieffekte von grenzüberschreitenden Wertpapier- und Forderungsgeschäften im 4. Quartal 2017;
– Gesetzgebungsvorschlag für einen EU-Rahmen für gedeckte Schuldverschreibungen, die ein wichtiges Instrument der langfristigen Finanzierung sind, um den Banken bei der Finanzierung ihrer Darlehenstätigkeit zu helfen, im ersten Quartal 2018.
Des Weiteren treibt die Kommission auch ihre Vorbereitungsarbeiten für folgende Maßnahmen voran, um die im ursprünglichen Aktionsplan enthaltenen Zusagen einzulösen:
– Änderungen an der delegierten Verordnung zur Ergänzung von Solvabilität II im Jahr 2018, um die aufsichtliche Behandlung von privatem Beteiligungskapital und privat platzierten Schuldtiteln zu überarbeiten;
– Empfehlung zu Privatplatzierungen (aufbauend auf den Erfahrungen mit gut funktionierenden nationalen Regelungen) im 4. Quartal 2017;
– Mitteilung über eine Roadmap für die Beseitigung der Hindernisse für Nachhandelsinfrastrukturen (aufbauend auf den Empfehlungen des European Post Trade Forum, kurz: EPTF) im 4. Quartal 2017;
– Mitteilung über die Märkte für Unternehmensanleihen (aufbauend auf den Empfehlungen der Expertengruppe „Corporate Bond Market Liquidity“) im 4. Quartal 2017;
– Verhaltenskodex zur Vereinfachung der Quellensteuerverfahren mit Schwerpunkt auf Erstattungen bis Ende 2017.
Wie kann eine verstärkte Kapitalmarktaufsicht zu den Zielen der Kapitalmarktunion beitragen?
Viele Teilnehmer an der Konsultation zur CMU-Halbzeitbilanz sprachen sich für eine stärker harmonisierte Regulierung und mehr Konvergenz aus, um reale und vermeintliche grenzübergreifende Hemmnisse zu überwinden. Teilnehmer aus einem breiten Spektrum von Interessenträgern halten es für sinnvoll, die Mandate der europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) auszubauen, um mehr Aufsichtskonvergenz herzustellen.
Eine andere aktuelle Konsultation zu den Tätigkeiten der europäischen Aufsichtsbehörden hat ebenfalls ergeben, dass die Rahmenvorschriften für die ESA weiterentwickelt werden müssen, damit eine wirksamere Aufsicht möglich wird. Die Rückmeldungen zur Konsultation lassen zudem darauf schließen, dass der Regelungsrahmen angepasst werden muss, damit die ESA den Finanzsektor besser beaufsichtigen und ihre Ziele besser erreichen können. Die Konsultationsbeiträge deuten darauf hin, dass die ESMA besser in die Lage versetzt werden muss, Schwächen in der nationalen Aufsicht zu ermitteln und anzugehen und Bereiche zu ermitteln, in denen gegebenenfalls eine direkte Aufsicht der ESMA angebracht ist.
Deshalb werden wir im 3. Quartal 2017 Änderungen an der Arbeitsweise der ESA vorschlagen, wie es auch in den entsprechenden Gründungsverordnungen (Artikel 81) vorgesehen ist. In bestimmten Bereichen wird die Kommission die Befugnisse der ESMA stärken und im Interesse einer gut funktionierenden CMU auch eine direkte Beaufsichtigung ermöglichen, wenn dies gerechtfertigt ist.
Wie wird die Kapitalmarktunion den Zugang von KMU zu Finanzmitteln weiter verbessern?
Die EU hat bei ihren Bemühungen, den Gang an die öffentlichen Märkte für kapitalsuchende Unternehmen zu vereinfachen, bereits gute Fortschritte erzielt. So konnten sich das Europäische Parlament und der Rat im Dezember 2016 auf eine modernisierte EU-Prospektverordnung einigen, die ab Mitte 2019 gelten wird.
Allerdings muss mehr getan werden, um sicherzustellen, dass europäische Unternehmen und Investoren in den Genuss aller Vorteile des Zugangs zu öffentlichen Märkten kommen. Sowohl die Anzahl als auch das Volumen von Börsengängen (IPO) befinden sich noch auf deutlich niedrigerem Niveau als vor der Krise und sind zwischen 2007 und 2016 um 56 % bzw. 49 % zurückgegangen. Insbesondere KMU sind in der EU nur selten an der Börse notiert. Im Jahr 2016 entfielen auf kleinere Unternehmen nur 6 % des gesamten IPO-Markts. Auch das auf KMU-spezifischen Märkten gesammelte Eigenkapital ist im Vergleich zum Stand vor der Krise in der Summe um 9 Mrd. EUR gesunken.
Zahlreiche Teilnehmer der jüngsten CMU-Konsultation haben sich für eine angemessene Überprüfung der Verpflichtungen, denen nichtfinanzielle Emittenten, und insbesondere KMU, unterliegen, ausgesprochen und darauf hingewiesen, dass bestimmte Auflagen übermäßigen Aufwand verursachen und diese Emittenten damit von einem Börsengang abschrecken könnten. Bei einer Überprüfung sollte vor allem den Fragen nachgegangen werden, ob Investoren dank der geltenden Offenlegungspflichten nützliche Informationen erhalten, ob unnötige, unverhältnismäßige Vorschriften gegebenenfalls aufgehoben werden können und ob ein besser ausgewogenes Regulierungsumfeld für kleine und mittlere börsennotierte Unternehmen geschaffen werden kann.
Die Kommission wird die regulatorischen Hemmnisse für die Zulassung von KMU an öffentlichen Märkten – wie in der Sondierung vorgesehen – prüfen. Der Schwerpunkt der Überprüfung wird auf der Frage liegen, wie gezielte Änderungen an einschlägigen Rechtsvorschriften der EU den Regulierungsrahmen verhältnismäßiger gestalten könnten, um KMU-Notierungen an öffentlichen Märkten zu fördern. Dies könnte im zweiten Quartal 2018 zur Vorlage eines entsprechenden Legislativvorschlags führen.
Warum richtet die Kommission bei der CMU-Halbzeitbilanz ihren Blick auf Wertpapierfirmen?
Wertpapierfirmen spielen an den Kapitalmärkten eine wichtige Rolle und bieten mehrere Dienstleistungen an, die Investoren den Zugang zu den Wertpapier- und Derivatemärkten ermöglichen, wie z. B. Anlageberatung, Portfolioverwaltung, Maklerdienste, Ausführung von Aufträgen, Eigenhandel und die Übernahme von Emissionen. Die Bestimmungen für ihre Zulassung und ihr Verhalten sind in der MiFID festgelegt; darüber hinaus unterliegen sie EU-Aufsichtsvorschriften (CRR und CRD IV).
In Antworten auf frühere Konsultationen wurde darauf hingewiesen, dass die Anwendung einiger CRR/CRD IV-Bestimmungen nicht gut auf die Geschäftsmodelle von Wertpapierfirmen abgestimmt sind. So sollte in der CRR/CRD IV insbesondere besser zwischen den Kapitalanforderungen für große, bankähnliche Wertpapierfirmen und denen für kleinere Wertpapierfirmen unterschieden werden. Einige Teilnehmer der Konsultation zur CMU-Halbzeitbilanz betonten die Notwendigkeit einer Verringerung des durch Rechtsvorschriften bedingten bürokratischen Aufwands für lokale Wertpapierfirmen, die KMU ihre Dienste anbieten.
Deshalb wird die Kommission im vierten Quartal 2017 einen Legislativvorschlag zur Überprüfung der aufsichtlichen Behandlung von Wertpapierfirmen vorlegen. Ein wirksamerer aufsichtsrechtlicher Rahmen, der gut auf Größe und Art der Wertpapierfirmen abgestimmt ist, dürfte den Investoren neue Möglichkeiten eröffnen und ihre Möglichkeiten der Risikosteuerung verbessern. Dadurch dürfte auch sichergestellt sein, dass Standortwechsel von Wertpapierfirmen nicht durch Aufsichtsarbitrage oder unterschiedliche Aufsichtsrahmen motiviert sind.
Wird die Kommission in der Kapitalmarktunion FinTech-Lösungen fördern?
Bei der Halbzeitüberprüfung der Kapitalmarktunion wird die Kommission prüfen, welchen Beitrag die Finanztechnologie („FinTech“) zur Erweiterung und Vertiefung der EU-Kapitalmärkte leisten könnte. Bereits der kürzlich auf den Weg gebrachte Aktionsplan „Finanzdienstleistungen für Verbraucher“ stellt darauf ab, das FinTech-Potenzial zu nutzen, um den Verbrauchern bessere Finanzdienstleistungen zu bieten. Beispiele für Finanzinnovationen, die die EU-Kapitalmärkte verbreitern und vertiefen können, sind u. a. Crowdfunding, Supply-Chain-Finanzierung, die Online-Stimmrechtsausübung durch Aktionäre und die mögliche Anwendung der Blockchain-Technologie im Nachhandel.
Bei der Konsultation zur CMU-Halbzeitbilanz wurde betont, dass Technologie und Digitalisierung ihre wichtige Rolle bereits unter Beweis gestellt haben und dass sie einige Hindernisse überwinden und Lücken bei Finanzdienstleistungen für Verbraucher schließen können. Die größten FinTech-Nutznießer werden die Kleinanleger sein, denen eine größere Auswahl an Dienstleistungen zu potenziell niedrigeren Kosten angeboten wird. In einer Mehrheit der Antworten werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für traditionelle Akteure und FinTech-Unternehmen gefordert. Zudem müsse bei der Anwendung von FinTech-Innovationen ein angemessener Anleger- und Verbraucherschutz gewährleistet sein und für das nötige Vertrauen gesorgt werden.
Die Kommission hat auch eine zielgerichtete Konsultation eingeleitet, um Aufschluss über die Auswirkungen zu erhalten, die neue Technologien auf Finanzdienstleistungen haben werden. Die Kommission erwartet sich davon wertvolle Informationen über die Notwendigkeit neuer, verhältnismäßigerer Zulassungsregelungen für FinTech-Tätigkeiten und -Unternehmen in Bereichen wie dem Crowdfunding und über Möglichkeiten zur Förderung von FinTech-Unternehmen, die in einem EU-Land registriert sind und grenzüberschreitende Geschäfte tätigen, durch Verzicht auf eine erneute Genehmigungspflicht in jedem weiteren EU-Land („Europäischer Pass“). Die Kommission wird im vierten Quartal 2017 die Zweckmäßigkeit eines EU-Rahmens für Zulassung und Passvergabe für FinTech-Tätigkeiten prüfen.
Wie kann die Kapitalmarktunion die Kreditvergabe der Banken und die Stabilität des EU-Bankensektors stärken?
Die Kapitalmärkte können den europäischen Banken helfen, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit notleidenden Krediten, die einige nationale Bankensystemen stark belasten, zu überwinden. Notleidende Kredite beeinträchtigen die Rentabilität der Banken und deren Fähigkeit, Kredite – auch an KMU – zu vergeben, in erheblichem Umfang.
Viele Teilnehmer der Konsultation zur CMU-Halbzeitbilanz messen der Förderung eines EU-weiten Sekundärmarkts für notleidende Kredite große Bedeutung zu und weisen darauf hin, dass dieser Markt derzeit durch hohe Transaktionskosten gebremst wird.
Die Banken könnten ihre notleidenden Kredite auf entsprechenden Sekundärmärkten an einen größeren Kreis von Investoren veräußern, und das möglicherweise zu Preisen, die den Wert der zugrunde liegenden Vermögenswerte besser widerspiegeln. Im Ergebnis werden dadurch die Bilanzen der Kreditinstitute bereinigt und diese besser in die Lage versetzt, neue Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben.
Die Dienststellen der Kommission werden in Kürze eine öffentliche Konsultation zu möglichen EU-Maßnahmen zur Förderung dieser Sekundärmärkte einleiten.
Effizientere, besser vorhersehbare und auf eine rasche Beitreibung von Werten durch gesicherte Gläubige ausgelegte Regelungen für Darlehensvollstreckung und Insolvenz werden die Verwaltung notleidender Kredite vereinfachen. Eine vergleichende Studie (Benchmarking) der nationalen Vollstreckungs- und Insolvenzsysteme wird im vierten Quartal 2017 abgeschlossen werden. Bei den Arbeiten für dieses Benchmarking wird deutlich, wie schwierig es für Banken und andere gesicherte Gläubiger ist, Forderungen aus notleidenden Krediten zurückzuerhalten, weil es dem Rechtsrahmen für die Durchsetzung von Sicherheiten an Effizienz mangelt.
Daher wird die Kommission eine Folgenabschätzung einleiten, um die Möglichkeiten für eine Rechtsetzungsinitiative im ersten Quartal 2018 auszuloten, durch die es für gesicherte Gläubiger einfacher gemacht wird, Werte aus besicherten Darlehen an Unternehmen und Unternehmer zurückzuerhalten.Dies wird den Vorschlag der Kommission von November 2016 über die wirksame Funktionsweise von vorinsolvenzlichen Restrukturierungsmaßnahmen ergänzen und verstärken.
Wie wird die Kapitalmarktunion die Führungsrolle der EU bei nachhaltigen Investitionen festigen?
Die EU ist fest entschlossen, Aspekte der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihrer politischen Maßnahmen zu stellen. Das Pariser Klimaschutzabkommen markierte einen Wendepunkt im weltweiten Engagement zur Bekämpfung des Klimawandels. Die Bereitstellung nachhaltiger Finanzierungen für Investitionen in eine nachhaltigere Wirtschaft ist daher von wesentlicher Bedeutung. Vor allem die Umleitung der privaten Kapitalflüsse in nachhaltigere Investitionen erfordert ein gründliches Überdenken unseres finanzmarktpolitischen Rahmens.
Der Markt für grüne Anleihen konnte in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum verzeichnen; das Volumen ausstehender grüner Anleihen hat sich zwischen Ende 2014 und Ende 2015 mehr als verdoppelt. Und dennoch hat dieser Markt mit einem Gewicht von weniger als 0,1 % des weltweiten Marktes für Schuldverschreibungen nach wie vor nur marginale Bedeutung. In der Konsultation zur CMU-Halbzeitbilanz wurde die Kommission gedrängt, über Schritte nachzudenken, die nun getan werden könnten, um die Neujustierung des finanzpolitischen Rahmens der EU auf den Weg zu bringen. Beispiele für dabei angesprochene Themen sind:
– die Klarstellung, dass die treuhänderischen Pflichten von Vermögenseigentümern und -verwaltern auch beinhalten, Umwelt-, Sozial- und Governance-Erwägungen in ihre Entscheidungsprozesse einzubeziehen;
– die Gewährleistung einer zentraleren Rolle von Nachhaltigkeitsaspekten in Fragen der Corporate Governance;
– eine bessere Berücksichtigung der Ergebnisse bei Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten in Emittenten-Ratings und wichtigen Markt-Benchmarks.
Die Kommission hat im Dezember 2016 eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, die sie in der Frage beraten soll, wie Nachhaltigkeitserwägungen in die EU-Haushaltsordnung und in die Finanzmarktpraktiken eingebunden werden können. Die Gruppe ist in der ersten Jahreshälfte 2017 regelmäßig zusammengetroffen und wird im Sommer 2017 die wichtigsten Themen und Konzepte, die umgesetzt werden könnten, in einem Zwischenbericht vorstellen. Im Dezember 2017 wird der Abschlussbericht vorgelegt, der eine Reihe operationeller Empfehlungen für die Integration von Fragen der Nachhaltigkeit in die EU-Finanzvorschriften enthält. Beide Berichte werden veröffentlicht.
Die Kommission wird bis zum ersten Quartal 2018 Folgemaßnahmen zu den Empfehlungen der hochrangigen Expertengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen in die Wege leiten und insbesondere Arbeiten in Angriff nehmen, die auf eine Verbesserung der Offenlegung und der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Ratingmethoden und Aufsichtsverfahren sowie in die Anlagemandate von institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern abzielen. Auch künftige Revisionen von Rechtsvorschriften im Finanzbereich sollten sich an einem stärker nachhaltigen Ansatz orientieren.
Wie wird die Kapitalmarktunion Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen in der EU beseitigen?
Trotz der Fortschritte, die in den letzten Jahren bei der Schaffung eines Binnenmarktes für Kapital und Finanzdienstleistungen erzielt wurden, sehen sich die Anleger bei grenzüberschreitenden Investitionen in der EU weiterhin mit großen Hindernissen konfrontiert.
Darüber hinaus sind Investmentfonds in der EU immer noch klein und weniger kosteneffizient als in anderen Rechtsräumen. Zudem werden sie in Europa nur in begrenzter geografischer Reichweite vertrieben. Die Erkenntnisse aus der öffentlichen Konsultation zeigen, dass große Hindernisse aufgrund der mangelnden Regulierungs- und Aufsichtskonvergenz entstehen; hierzu gehören u. a die abweichenden nationalen Anforderungen an die Meldung, Verteilung und Verwendung des Vertriebspasses im Rahmen der OGAW- und der AIFM-Richtlinien sowie unterschiedliche Anforderungen bezüglich Verwaltungsvereinbarungen, z. B. in Bezug auf lokale Akteure.
Bei einem stärker grenzüberschreitenden Vertrieb, und insbesondere bei Einsatz digitaler Mittel, könnten Fonds ihr Wachstumspotenzial entfalten, ihr Kapital EU-weit wirksamer verteilen und innerhalb nationaler Märkte konkurrieren, um einen größeren Mehrwert und mehr Innovationen hervorzubringen.
Die Kommission wird im ersten Quartal 2018 eine Folgenabschätzung in Angriff nehmen und darin prüfen, ob gegebenenfalls ein Legislativvorschlag zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs und der grenzüberschreitenden Beaufsichtigung von OGAW und AIF angebracht ist.
Ein stabiles Investitionsumfeld ist auch von entscheidender Bedeutung für die Förderung grenzüberschreitender Investitionen innerhalb der EU. Mehr Klarheit über die bestehenden EU-Anlegerrechte ist nicht nur wichtig für die Anleger selbst, sondern auch für nationale Verwaltungen, Interessenträger und nationale Richter. Die Kommission wird im ersten Quartal 2018 eine Mitteilung zu Auslegungsfragen annehmen, in der sie bestehende Rechtsvorschriften der EU für den Umgang mit grenzüberschreitenden Investitionen in der EU erläutert.
Wie wird die Kommission die Entwicklung lokaler Kapitalmarkt-Ökosysteme in der EU fördern?
Die Kapitalmärkte sind in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich stark entwickelt. Insbesondere in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas befinden sich die Kapitalmärkte erst auf einem Drittel des Entwicklungsstands des EU-Durchschnitts. So liegt in dieser Region u. a. der Zugang nichtfinanzieller Unternehmen zu den Kapitalmärkten unter dem EU-Durchschnitt (6 % gegenüber 21 % in der EU). Die Wiener Initiative hat beschlossen, eine Arbeitsgruppe zur Kapitalmarktunion einzusetzen, die auf eine stärkere Diversifizierung der Investitionsquellen in der Region hinarbeiten wird.
Die Wiener Initiative wurde auf dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise 2008/09 als öffentlich-private Plattform zur Sicherung angemessener Kapital- und Liquiditätshilfen westlicher Bankengruppen für ihre Tochtergesellschaften in Mittel-, Ost- und Südosteuropa gegründet. Die Kommission wird den Mitgliedstaaten auch über das am 19. Mai 2017 in Kraft getretene Programm zur Unterstützung von Strukturreformen technische Hilfe leisten. Das Programm wird durch die Unterstützung nationaler Behörden einen Beitrag zu institutionellen, administrativen und strukturellen Reformen in den Mitgliedstaaten leisten. Bisher sind im Rahmen des Programms bei der Kommission mehr als 50 Anträge auf technische Unterstützung im Finanzsektor eingegangen. Diese wurden von 13 Mitgliedstaaten gestellt; der Schwerpunkt liegt deutlich auf der Unterstützung der Entwicklung von Kapitalmärkten.
Die Kommission wird bis zum zweiten Quartal 2018 eine umfassende EU-Strategie vorschlagen, in der sie darlegt, welche Schritte auf EU-Ebene getan werden könnten, um die Entwicklung lokaler und regionaler Kapitalmärkte in der gesamten EU zu fördern. Sie wird sich dabei auf den Bericht der CMU-Arbeitsgruppe der Wiener Initiative stützen und den Erfahrungen Rechnung tragen, die bei dem Programm der Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen mit der Bereitstellung technischer Hilfe auf Antrag gewonnen wurden.
Wer wird die CMU-Maßnahmen umsetzen?
In den letzten zwei Jahren hat die Kommission dem ursprünglichen Zeitplan entsprechend 20 von 33 der im CMU-Aktionsplan angekündigten Maßnahmen umgesetzt. Allerdings kann die Kommission die Kapitalmarktunion nicht allein aufbauen. Ob sie gelingt, wird vom politischen Willen der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments und vom Engagement der Marktteilnehmer abhängen. Nationalen Behörden und Marktteilnehmern kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, die Marktsegmente sowie die rechtliche, fiskalische und technische Infrastruktur zu schaffen, die es braucht, um Hindernisse für die EU-Integration zu beseitigen und einen echten Kapitalbinnenmarkt aufzubauen.
Quelle: Europäische Union