Waschpulver und Babynahrung statt Bargeld im Geldkoffer

26. Oktober 2019

Findet Kassiererin Waschpulver und Babynahrung statt Bargeld im Geldkoffer? Verdachtskündigung der Herner Sparkasse bleibt unwirksam. Mit Urteil vom 14. August 2017 hat das Landesarbeitsgericht Hamm in einem Kündigungsschutzprozess die Berufung der Herner Sparkasse gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 4. Oktober 2016 (Aktenzeichen 3 Ca 1053/16) zurückgewiesen.

Das Arbeitsverhältnis einer seit dem Jahr 1991 beschäftigten 52-jährigen Sparkassenangestellten, die gegen die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses klagt, besteht danach fort. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Zum Hintergrund:

Die am 28. Mai 2015 in einer Filiale der Herner Sparkasse als Kassiererin eingesetzte Sparkassenangestellte hatte gegen 9.40 Uhr von einem Geldtransportdienst einen verplombten Geldkoffer der Bundesbank angenommen. Darin sollte sich ein Geldbetrag in Höhe von 115.000 Euro ausschließlich in 50-Euro-Scheinen befinden. Diesen hatte die Angestellte am Vortag selbst angefordert. Nachdem der Koffer rund 20 Minuten im nur teilweise einsehbaren Kassenbereich – dort hielt sich die Angestellte zur fraglichen Zeit allein auf – gestanden hatte, öffnete sie diesen unter Verletzung des von der Sparkasse vorgegebenen Vier-Augen-Prinzips allein. Sodann rief sie einen Kollegen hinzu, der im Koffer je eine Packung Waschpulver und Babynahrung, aber kein Bargeld erblickte.

Mit eben dieser Füllung will die Angestellte den Koffer nach dem Aufbrechen der Plombe bei der Erstöffnung vorgefunden haben. Nach eigenen Aufklärungsbemühungen sowie Ermittlungsmaßnahmen der Polizei und der Staatsanwaltschaft kündigte die Sparkasse der Angestellten am 19. April 2016 fristlos. Sie begründet die Kündigung im Wesentlichen damit, dass gegen die Mitarbeiterin der dringende Verdacht einer Straftat zu ihrem Nachteil bestehe. Dafür sprächen zahlreiche Indizien, insbesondere auffällige finanzielle Transaktionen, welche die Mitarbeiterin nach dem Abhandenkommen des Geldes getätigt habe. Auch habe die Mitarbeiterin für eine Bestellung eines derart hohen, entsprechend gestückelten Bargeldbetrages keinen sachlichen Anlass gehabt.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. In Abgrenzung zur Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeit komme eine Kündigung allein wegen eines insoweit bestehen Verdachts (Verdachtskündigung) zum Schutze des Arbeitnehmers nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Insbesondere sei eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür erforderlich, dass dem betroffenen Arbeitnehmer das fragliche Fehlverhalten wirklich vorzuwerfen sei (Dringlichkeit des Verdachts). Daran fehle es vorliegend, denn die Täterschaft anderer Personen sei nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.

Die Berufungskammer hat in ihrem aktuell verkündeten Urteil betont, dass als weitere Voraussetzung einer Verdachtskündigung in deren Vorfeld regelmäßig eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zu erfolgen habe. Diese müsse der Arbeitgeber im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen durchführen und dabei den Arbeitnehmer regelmäßig konkret mit den verdachtsbegründenden Umständen konfrontieren. Eine diesen strengen Anforderungen der Rechtsprechung genügende Anhörung sei vorliegend aber nicht feststellbar.

Landesarbeitsgericht Hamm, Aktenzeichen 17 Sa 1540/16

Update 2019:

Mit am 24. Oktober 2019 verkündetem Urteil hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm entschieden, dass die Sparkasse Herne einer heute 54-jährigen Mitarbeiterin im April 2016 zu Recht außerordentlich fristlos gekündigt hat. Der Grund: Die seit dem Jahr 1991 beschäftigte Kassiererin hatte beim Öffnen eines von der Bundesbank im Mai 2015 angelieferten Geldkoffers nach eigener Darstellung nur je eine Packung Babynahrung und Waschpulver vorgefunden. Der für den verplombt angelieferten Koffer dokumentierte Geldbetrag in Höhe von 115.000,00 € in 50-Euro-Scheinen blieb hingegen verschwunden. Diesen gemäß Darstellung der Sparkasse nach Höhe und Stückelung ungewöhnlichen Geldbetrag hatte die Mitarbeiterin am Tag zuvor selbst bestellt.

Die Kündigung hat die Sparkasse damit begründet, dass im Ergebnis eigener Aufklärungsbemühungen wegen zahlreicher gegen die Mitarbeiterin sprechender Indizien zumindest der dringende Verdacht eines Vermögensdelikts zu ihrem Nachteil begründet sei. Mit Urteilen vom 4. Oktober 2016 (3 Ca 1053/16) und vom 14. August 2017 (17 Sa 1540/16) haben das Arbeitsgericht Herne und dann das Landesarbeitsgericht Hamm die Kündigung zunächst für unwirksam erachtet. Die erfolgreiche Revision der Beklagten zum Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17) führte zu einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.

Dieses – so die Erfurter Richter – habe nochmals umfassend zu untersuchen, ob aufgrund der vorliegenden Indiztatsachen nicht doch von einer Täterschaft der Klägerin auszugehen sei. Nach deren nochmaliger Prüfung ist die befasste Kammer nunmehr von einer Wegnahme des Geldes durch die gekündigte Mitarbeiterin überzeugt. In die eigenständige Bewertung eingeflossen sind dabei die Feststellungen des Amtsgerichts Herne aus dem parallel laufenden Strafverfahren. Dieses hatte die Klägerin mit Urteil vom 22. Mai 2019 wegen Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt und die Einziehung des Geldbetrages angeordnet. Das Strafurteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das Landesarbeitsgericht hat in seiner erneuten Entscheidung die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Für die mit dem Kündigungsschutzantrag unterlegene Mitarbeiterin besteht die Möglichkeit einer fristgebundenen Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (LAG Hamm, 17 Sa 1038/18).

Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen

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